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Starnberger Polit-Posse vor Gericht: Richterin stellt Verfahren ein und findet deutliche Worte

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Vizebürgermeister Dr. Klaus Rieskamp (links) auf der Klägerseite, Bürgermeisterin Eva John als Beklagte.
Vizebürgermeister Dr. Klaus Rieskamp (links) auf der Klägerseite, Bürgermeisterin Eva John als Beklagte. © Peter Schiebel

Das Verwaltungsgericht München hat das Verfahren des Starnberger Stadtrats gegen die Stadt Starnberg am Mittwoch eingestellt. Die Vorsitzende Richterin fand deutliche und mahnende Worte.

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Starnberg/München – Die Klage des Starnberger Stadtrats gegen die Stadt in Person von Bürgermeisterin Eva John ist vom Tisch. Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts München hat das Verfahren gestern eingestellt. Allerdings machte die Vorsitzende Richterin Christine Gibbons deutlich, dass dem Stadtrat ein umfassendes Informationsrecht zustehe und sie deswegen die Klage grundsätzlich als zulässig und begründet erachte. Gleichzeitig bezeichnete sie eine von John eingereichte Feststellungsklage als unzulässig, die zum Ziel hatte, dass die Stadträte ihre Anwaltskosten selbst übernehmen.

„Das höre ich zum ersten Mal, aber ich höre es gerne“

John verwies im Verlauf der 90-minütigen Sitzung auf die Möglichkeit, dass das juristische Gutachten über die Bahnverträge, um das sich der Streit dreht, mittlerweile für Stadträte jederzeit zur Einsicht im Rathaus bereit liege – in einem Ordner mit allen Unterlagen zur Seeanbindung, wie der Stadtrat im März in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen habe. „Das höre ich zum ersten Mal, aber ich höre es gerne“, zeigte sich Vizebürgermeister Dr. Klaus Rieskamp überrascht, der kraft Amtes die Klägerseite vertrat.

Ähnlich reagierte deren Rechtsanwalt Christian Langgartner. „Bis zum letzten Schriftsatz wurde das immer bestritten“, sagte er. Verwunderung herrschte auch bei der Vorsitzenden Richterin. Wenn die Akteneinsicht jederzeit möglich sei, frage sie sich, warum das nicht längst schriftlich niedergelegt worden sei, sagte Gibbons. „Dann ist der Streit von Anfang an sinnlos.“

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Stadtrat wollte Recht auf Akteneinsicht erzwingen

Seit Herbst 2017 schwelt die Auseinandersetzung um die Möglichkeiten zur Einsichtnahme in das vom Stadtrat bestellte juristische Gutachten, das auf 130 Seiten die möglichen Folgen bei Auslaufen der Bahnverträge erörtert. Dabei geht es auch um eventuelle Schadenersatzforderungen der Bahn von gut 100 Millionen Euro – ein „Damoklesschwert“, wie Rieskamp sagte. Nach mehrwöchigem Hickhack hatte der Stadtrat am 27. November mehrheitlich beschlossen, per Kommunalverfassungsklage von der Bürgermeisterin das Recht auf Akteneinsicht zu erzwingen. 

Am 12. und 13. Dezember stellte John den Stadträten das Gutachten insgesamt siebeneinhalb Stunden zur Einsichtnahme zur Verfügung. Kopien werden bis heute nicht ausgehändigt – die Verwaltung sieht ein zu hohes Risiko, dass das Papier dann Dritten überlassen werden könnte.

Während Johns Anwalt Ulrich Numberger diese zwei Tage für ausreichend hielt, stärkte Richterin Gibbons die Position der Kläger. „Dem Stadtrat steht im Hinblick auf das Gutachten ein Informationsanspruch zu“, sagte sie. Und der könne nicht an zwei Tagen abgegolten sein, zumal bei einem so komplexen Thema und der Tatsache, dass im Dezember nur ein einziges Exemplar des Gutachtens bereit gelegen habe. „Einsichtnahme ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein Prozess, der sich hinzieht.“

In dem Zusammenhang wurde Gibbons grundsätzlich. Stadtrat und Bürgermeisterin seien Hauptorgane einer Stadt, ein funktionierendes Zusammenwirken sei notwendig. Allerdings sei der Stadtrat selbst nicht handlungsfähig, sondern darauf angewiesen, dass die Bürgermeisterin die Beschlüsse vollziehe. Die Richterin wörtlich: „Der Stadtrat ist der Kopf, aber er hat keine Arme.“

Richterin Gibbons: Das habe ich noch nicht erlebt

Immer wieder kam Gibbons auf die Verhältnisse in der Stadtpolitik zu sprechen. „Man kann sich kaum vorstellen, wie das weitergehen soll“, sagte sie. Der aktuelle Vorgang sei außergewöhnlich. Es komme zwar immer mal vor, dass sich einzelne Stadt- oder Gemeinderäte benachteiligt fühlen und deswegen ihre Stadt oder Gemeinde verklagen, sagte die Richterin. Dass aber „ein gesamter Stadtrat“ seine Bürgermeisterin vor Gericht zitiere, das habe sie noch nicht erlebt. Mehrfach brachte sie eine Mediation ins Spiel.

Mit der Zusicherung Johns, das Gutachten zu den Bürozeiten zugänglich zu machen, erachtete die Richterin den Fall als erledigt an und stellte das Verfahren mit Zustimmung der Beteiligten ein. „Wir sollten es im Moment dabei belassen“, sagte sie, fügte aber mit Blick auf den Stadtrat hinzu: „Sie haben jederzeit das Recht, eine neue Klage einzureichen.“ Den Streitwert legte das Gericht auf 10.000 Euro fest. Gerichts- und Anwaltskosten hat die Stadt zu tragen.

Beide Seiten zeigen sich zufrieden

Eva John bewertete den Ausgang des Verfahrens positiv. „Ich bin froh, dass der Streit auf Vorschlag des Gerichts beigelegt werden konnte“, sagte sie am frühen Abend gegenüber dem Starnberger Merkur. Den mahnenden Worten der Richterin zur Zusammenarbeit von Stadtrat und Bürgermeisterin trage sie Rechnung. Zufrieden zeigten sich auch Stadträte. „Im Grunde haben wir das erreicht, was wir seit 2016 erreichen wollten“, sagte Rieskamp (Parteifreie). Das Gericht habe klar gemacht, dass sich die Bürgermeisterin an Stadtratsbeschlüsse zu halten habe, sagte Stefan Frey (CSU).

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