Im Handelskrieg wird es persönlich

Eine Topmanagerin des chinesischen Tech-Konzerns wird in Kanada festgehalten. Was ihr vorgeworfen wird, ist unklar. Die Affäre trägt zur Unruhe an den Finanzmärkten bei und belastet die amerikanisch-chinesischen Beziehungen.

Martin Lanz, Washington
Drucken
Meng Wanzhou an einem Forum der VTB Capital Investment in Moskau (2. Oktober 2014).(Bild: Alexander Bibik / Reuters)

Meng Wanzhou an einem Forum der VTB Capital Investment in Moskau (2. Oktober 2014).(Bild: Alexander Bibik / Reuters)

Die kanadischen Behörden haben am 1. Dezember in Vancouver auf Ersuchen der US-Justiz die Finanzchefin des chinesischen Tech-Konzerns Huawei festgenommen. Das wurde am Mittwochabend (Ortszeit) bekannt. Meng Wanzhou, die auch als stellvertretende Verwaltungsratschefin von Huawei amtiert, ist die Tochter des Firmengründers Ren Zhengfei. Huawei ist der weltgrösste Hersteller von Anlagen für Mobilfunkantennen, Internetnetzwerken und von damit verwandter Infrastruktur.

Die Festnahme scheint im Zusammenhang mit Vorwürfen der USA zu stehen, wonach Huawei und Meng das amerikanische Embargo gegen Iran umgangen hätten. Huawei soll, wie schon der kleinere chinesische Telekom-Rivale ZTE, Produkte amerikanischen Ursprungs an Iran und andere von den USA geächtete Länder wie Nordkorea, Kuba, Sudan und Syrien geliefert haben. Das kanadische Justizministerium erklärte, die USA hätten um die Auslieferung von Meng ersucht. Am Freitag soll eine Kautionsanhörung stattfinden. Chinas Aussenministerium beklagte sich über die unbegründete und beispiellose Festnahme von Meng.

Geschäfte mit Iran betrieben?

Es ist bekannt, dass US-Strafverfolger seit einiger Zeit gegen Huawei ermitteln. Zuständig für den Fall ist das Bundesgericht des östlichen New-York-Distrikts (Brooklyn). Wie immer in solchen Fällen äussern sich die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden nicht zu laufenden Untersuchungen. Meng könnte unter anderem deshalb im Fokus der Ermittlungen stehen, weil sie eine Zeitlang im Verwaltungsrat der in Hongkong basierten Skycom Tech Co Ltd. war, die versucht haben soll, Computerausrüstungen des amerikanischen Herstellers Hewlett-Packard an Irans grössten Mobilfunkbetreiber zu verkaufen.

Huawei steht aber nicht nur wegen der angeblichen Verletzung von US-Gesetzen im Regen. Noch grösser sind in Washington die Befürchtungen, dass in den USA und weltweit verwendete Huawei-Technologie zu militärischen und kommerziellen Spionagezwecken missbraucht werde. De facto sind deshalb Huawei-Telekomausrüstungen aus den USA verbannt, und die US-Regierung lobbyiert bei befreundeten Ländern, damit diese die chinesische Firma ebenfalls boykottieren.

Die USA versuchen insbesondere Huaweis Streben nach der 5G-Technologie zu bremsen. Mobilfunkbetreiber rund um die Welt warten derzeit darauf, die neue Technologie in Betrieb zu nehmen, welche dem Internet der Dinge den entscheidenden Schub verleihen soll. Dank der viel höheren Geschwindigkeit und Kapazität des 5G-Mobilfunkstandards, so lautet die Hoffnung, können künftig erheblich mehr Geräte und Arbeitsschritte mit dem Internet verbunden werden. Die US-Regierung möchte vermeiden, dass ausländische Anbieter wie Huawei hier eine Führungsrolle übernehmen, welche der chinesischen Regierung oder auch anderen rivalisierenden Staaten als Einfallstor für Einflussnahme und Spionage in den USA und in befreundeten Ländern dienen könnte.

Dieser Tage wollten die USA und China eigentlich Verhandlungen über die Entschärfung des bilateralen Handelsstreits aufnehmen. Dabei geht es unter anderem auch um die chinesische Industriepolitik zur Förderung des technologischen Aufstiegs inklusive der Entwicklung des 5G-Standards. Die Frage ist nun, welchen Einfluss die Huawei-Affäre darauf hat. Im Fall von ZTE hatte die US-Regierung 2017 behauptet, es habe sich um ein rein administratives Vorgehen ohne politischen Hintergrund gehandelt.

Vor dem Hintergrund des eskalierenden Handelsstreits intervenierte aber Präsident Trump und sorgte auf Wunsch des chinesischen Führers Xi dafür, dass ZTE sanfter angefasst wurde. Das von den US-Behörden im April 2018 verhängte Verbot für amerikanische Firmen, mit ZTE zu handeln, hatte die Firma an den Abgrund gebracht, weil ZTE für ihre Tätigkeit weiterhin auf amerikanische Technologien angewiesen ist. Das Verbot wurde im Juni durch einen Vergleich ersetzt, laut dem ZTE unter anderem eine Milliardenbusse zahlen musste. Derzeit kann nur spekuliert werden, ob im Falle von Huawei und Meng auch Vergleiche mit den US-Behörden resultieren könnten.

Rückschlag an den Börsen

Das Weisse Haus äusserte sich am Donnerstag nicht zu der Affäre. Bemerkenswerterweise hielt es aber gleichentags ein Treffen mit amerikanischen Technologiefirmen ab, bei dem es auch um den 5G-Mobilfunkstandard ging. Die Verhaftung der Huawei-Finanzchefin trug am Donnerstag weltweit zu erneut sehr volatilen Finanzmarktbewegungen bei. Der japanische Nikkei-Index ging um fast 2 Prozent, der europäische Stoxx 600 um über 3 Prozent zurück. In den USA büsste der Dow-Jones-Index zeitweise über 2 Prozent ein, nachdem er schon am Dienstag um 3 Prozent zurückgegangen war. Negativ wirken sich auf die Börsen allerdings auch fallende Ölpreise und Rezessionsängste aus.

Weitere Themen