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Israels Ex-Generalstabschef Der Joker

Israel diskutiert über Neuwahlen. Premier Netanyahu steht trotz seiner Skandale in den Umfragen gut da. Zudem könnte er unerwartete Hilfe erhalten - von Ex-Generalstabschef Gantz.
Benny Gantz

Benny Gantz

Foto: ABIR SULTAN/ EFE-EPA/ REX/ SHUTTERSTOCK

In der kommenden Woche feiert Benjamin Netanyahu Geburtstag. Der israelische Premierminister wird 69 Jahre alt. Eine große Party wird es wohl nicht geben. Netanyahu steht mit seiner Frau Sara seit geraumer Zeit im Fokus der israelischen Polizei. Korruptionsvorwürfe sind der Grund - und der angeblich verschwenderische Lebensstil der beiden auf Kosten der Steuerzahler.

Seit wenigen Tagen muss sich Sara Netanyahu sogar wegen Betrugs und Untreue vor Gericht verantworten. Sie soll in den vergangenen Jahren Hunderte Gerichte in Edelrestaurants im Wert von umgerechnet 100.000 Dollar geordert haben. Und doch ist in der Jerusalemer Smolenski-Straße 9, wo die Familie Netanyahu lebt, die Stimmung bestens.

Denn trotz der vielen Skandale, die den konservativen Politiker umgeben, ist er bei der Bevölkerung immer noch sehr beliebt. Deshalb denkt der Regierungschef auch noch lange nicht an den Ruhestand.

Wie beliebt ist Netanyahu?

Der jüngsten Umfrage des TV-Senders "Kanal 2" zufolge würde seine Likud-Partei bei Neuwahlen 29 Sitze der 120 in der Knesset gewinnen - und wäre damit stärkste Kraft im israelischen Parlament. Zwar fehlen Netanyahu damit elf Sitze, um sein unlängst erklärtes Ziel von 40 Abgeordnetenmandaten zu erreichen.

Aber die Wählerbefragung hat auch ergeben, dass Benny Gantz mit einer neuen Partei zwölf Parlamentssitze bekommen würde. Auf Anhieb. Dabei ist er bislang nicht als Politiker in Erscheinung getreten und gehört auch keiner Partei an - er ist er Privatier. Allerdings: Bis 2015 war der Zwei-Meter-Mann Generalstabschef der israelischen Armee.

Benny Gantz vor Soldaten (Archiv)

Benny Gantz vor Soldaten (Archiv)

Foto: Shay Wagner/ dpa

Wer dieses Amt - egal wie lange - innehat, ist in Israel fast automatisch beliebt und hat beste Chancen nach der Zeit als Soldat in die Knesset oder sogar in ein Regierungsamt zu wechseln. Die Sicherheitspolitik ist schließlich seit jeher eines der wichtigsten Themen des Landes. Beispiele gibt es viele: Mosche Dajan, der legendäre General mit der Augenklappe aus der Gründerzeit, Ariel Scharon, Yitzhak Rabin, Ehud Barak und viele weitere tauschten in den vergangenen Jahrzehnten Uniform gegen Anzug.

Wer ist Benny Gantz?

Nun also offenbar Gantz. Zwar hat der verheiratete Familienvater noch gar nicht öffentlich erklärt, wirklich anzutreten. Aber Vertraute des 59-Jährigen streuen seit Wochen entsprechende Gerüchte. Die Umfragen tun ihr übriges.

Und tatsächlich verkörpert Gantz vieles, was die Wähler der säkularen Mittelschicht goutieren: Der Sohn einer Holocaust-Überlebenden wuchs in einem Moschav auf, also einer Landwirtschaftsgenossenschaft. Er diente als Soldat in verschiedenen Eliteeinheiten, kämpfte in beiden Libanonkriegen, war während der Palästinenseraufstände im Einsatz und kommandierte die Streitkräfte im Gaza-Krieg 2014.

Außerdem sammelte Gantz - der unter anderem Geschichte und Politik studierte - außenpolitische Erfahrung als Militärattaché in der israelischen Botschaft in Washington. Politisch geäußert hat er sich bislang aber noch nie.

Warum ist Gantz für Netanyahu so wertvoll?

Die Gerüchte um Gantz' Wechsel in die Politik sind deshalb besonders brisant, weil Israel seit Wochen über mögliche Neuwahlen diskutiert. Die Gründe:

  • Netanyahus Skandale, die möglicherweise juristische Konsequenzen haben und ihn sein Amt kosten könnten.
  • Ein seit langem schwelender Konflikt zwischen seinem Verteidigungsminister Avigdor Lieberman und Erziehungsminister Naftali Bennett über die richtige Strategie im Umgang mit den Palästinensern.
  • Und schließlich noch ein Streit in der Regierung über den Pflichtwehrdienst für Ultraorthodoxe. Die strengreligiösen Koalitionspartner von Netanyahu lehnen das kategorisch ab. Sie drohen mit einem Bruch der politischen Partnerschaft.

Sollte es tatsächlich Neuwahlen geben, wäre Netanyahu zwar nach jetzigem Umfragestand Wahlsieger, aber auch auf Koalitionspartner angewiesen. Hier kommt nun Benny Gantz ins Spiel.

Sollte er - wie erwartet - tatsächlich in die Politik wechseln und eine eigene Partei gründen, wäre diese wohl eine Mitte-Links-Partei. Die Folge: Die vielen säkularen Parteien, die politisch links von Netanyahu stehen, kannibalisieren sich gegenseitig. Benny Gantz ist somit der Joker im Jerusalemer Parteienvielkampf.

Netanyahu könnte erneut Premier werden, indem er eine fragile Viel-Parteien-Regierung schmiedet. Bislang war die Gier nach Posten immer größer als die ideologischen Differenzen, wenn Netanyahu seine Wahlgegner zu Sondierungsgesprächen bat. Womöglich könnte Gantz, den Netanyahu bislang nicht offen attackiert hat, am Schluss auch dem Kabinett angehören - als Verteidigungsminister.