28. Februar 2018

Menschen zu Gott führen: Die Geschichte von Susi und Hans

Die Siebenten-Tags-Adventisten sind eine protestantische Freikirche, die 1863 in den USA gegründet wurde und eine rege Missionstätigkeit entfaltete. So entstanden bald nach Gründung auch in Europa erste Adventisten-Gemeinden, unter anderem in Rumänien, wo viele Deutsche zu Anhängern des neuen Glaubens wurden. Eine von ihnen war Susanna Roth, 1920 als Susanna Ludwig in Halvelagen geboren. Sie ist die Großmutter von Eva Paul, die deren Erzählungen aufgezeichnet und im Buch „Weder Tod noch Leben. Eine siebenbürgische Lebensgeschichte“ veröffentlicht hat.
„Die Begebenheiten aus ihrem Leben“, schreibt Eva Paul im Vorwort, „erzählte sie mir – über einen Zeit­raum von mehreren Jahren – persönlich. Dabei klang für mich einiges unglaublich und so habe ich immer wieder nachgehakt und Fragen gestellt.“ Unglaublich liest sich tatsächlich vieles in Susis Lebensgeschichte, angefangen von der entbehrungsreichen Kindheit in einer kinderreichen, bäuerlichen Familie über die Jugend mit kurzer Schulbildung und frühem Eintritt ins Arbeitsleben bis zum Erwachsenendasein, das die Herausforderung mit sich bringt, den eigenen, nicht anerkannten Glauben gegen die gängige Meinung und Praxis zu verteidigen.

Dem Kind Susi geben die sonntäglichen Bibellesestunden mit dem Vater Halt. „Sie verstand nicht immer alles, was er las, aber wenn er ihr gegenübersaß und die Kleinen mit seinen hellen, lächelnden Augen ansah, vergaß sie alle Anstrengungen ihres Alltages. Die Worte der Bibel und die besondere Stimmung der Ruhe verbanden sich in ihr zu einem starken Drang zu glauben und legten den Grundstein für eine tiefe Verbundenheit zum Wort Gottes.“ Dieses Gefühl verstärkt sich nach der Konfirmation. „Susi fühlte sich ihrem Herrn und Gott nun auch offiziell verpflichtet. Sie nahm sich vor, noch eifriger nach dem wahren Glauben zu suchen, denn was sie in ihrer evangelischen Kirche bisher gehört hatte, hatte ihre Sehnsucht nicht gestillt.“ Zur Konfirmation bekommt sie ein wertvolles Geschenk: eine eigene Bibel, in der sie nun selbst lesen und Gottes Wort studieren kann. Bis zur Entdeckung des „wahren Glaubens“ vergeht aber noch eine Weile; dazu muss erst Hans in ihr Leben treten.

Dessen Lebensgeschichte wird parallel zu Susis im ersten Teil des Buches erzählt. Der Tischlermeister Hans Roth lebt mit seiner Familie in Neudorf, hat ein gutes Auskommen und könnte glücklich sein, wäre da nicht die unheilbare Schwindsucht seiner Frau Katharina. Doch es ist die kleine Kati, für die Hans als erstes einen Sarg zimmern muss: Sie stirbt an einer Lungenentzündung. Der Schmerz über den Verlust seiner Tochter führt dazu, dass Hans sich taufen lässt und einer kleinen Adventisten-Gemeinde beitritt – der Zufall will es, dass einer seiner Nachbarn diesem Glauben anhängt. Als wenig später auch seine Frau stirbt, findet er Halt in dieser Gemeinschaft Gleichgesinnter – und bei seinem Sohn Johann, um den er sich fortan allein kümmert.

Das Schicksal führt Susi und Hans zusammen; mit Hans hat Susi nicht nur den Mann fürs Leben, sondern endlich auch den „wahren Glauben“ gefunden. Mit der Hochzeit der beiden endet der erste Teil des Buches.

Der zweite Teil erzählt vom Familien- und vor allem vom Glaubensleben der Roths in Neudorf. Hier gründen sie gegen alle Widerstände eine Adventisten-Gemeinde und bauen einen Teil ihres Hauses zu einem Versammlungsraum um, denn „nichts war vergleichbar mit der Freude, die man hatte, wenn man Menschen zu Gott führen durfte. Sie wog alle Mühsal und jede Anstrengung zigfach auf“. Und Mühsal gibt es genug, die Zeiten sind unruhig: Krieg, Deportation, Enteignung, Kommunismus gehen nicht spurlos an der Familie vorüber. Von all dem erzählt Eva Paul mit großer Hingabe; wichtige historische Informationen sind als Kästen in den Text eingerückt, zudem kommt im zweiten Buchteil auch Oma Susi selbst zu Wort. Typographisch abgesetzt, finden sich viele Zitate der „unerschütterlichen Botschafterin der Liebe Gottes“, wie sie im Vorwort von ihrer Enkelin genannt wird.
Die Autorin Eva Paul mit ihrer Großmutter Susanna ...
Die Autorin Eva Paul mit ihrer Großmutter Susanna Roth.
Die Lebensumstände der Siebenbürger Sachsen im Rumänien des 20. Jahrhunderts sind Gegenstand von vielen Seiten Erinnerungsliteratur und wurden auch in der Forschung schon behandelt. Einen neuen Blick auf diese Thematik erlaubt das vorliegende Buch „Weder Tod noch Leben“ durch seinen Fokus auf die Adventisten und deren Stellung in der wechselvollen Geschichte des Vielvölkerstaats Rumänien sowie besonders in der siebenbürgischen Gemeinschaft. Wie lebten die „Bekehrten“, wie sie verächtlich genannt wurden, wie gingen sie um mit der Ablehnung ihres Glaubens und ihrer Person, und wie stand die Evangelische Kirche zu ihnen? Eine Ahnung bekommt man davon, wenn man die Geschichte von Susi und Hans liest.

Eine Buchvorstellung mit Eva Paul und ihrer Großmutter Susanna Roth, die sich mit 97 Jahren guter Gesundheit erfreut und bei ihrer Tochter in Rastatt lebt, kann man sich online auf https://www.youtube.com/watch?v=HRFjiFYEpWw ansehen.

Doris Roth


Eva Paul: „Weder Tod noch Leben. Eine siebenbürgische Lebensgeschichte“, Advent-Verlag, Lüneburg, 2017, 336 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-8150-1966-5

Schlagwörter: Buch, Erinnerungsliteratur, Siebenbürgen, Religion, Adventisten

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