Angst vor Fahrverboten: Selbst junge Diesel-Autos landen auf dem Schrottplatz

Sabine Kauke

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Wirklich alt sehen diese Autos nicht aus - trotzdem sind sie bereit für die Schrottpresse. Die Fahrzeuge stapeln sich auf dem Hof der Autoverwertung Koch in Paderborn. - © Koch
Wirklich alt sehen diese Autos nicht aus - trotzdem sind sie bereit für die Schrottpresse. Die Fahrzeuge stapeln sich auf dem Hof der Autoverwertung Koch in Paderborn. (© Koch)

Paderborn. Wie die Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zeigt, ist der Anteil dieselangetriebener Autos an allen Pkw-Neuzulassungen im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 25,4 Prozent auf 31,4 Prozent zurückgegangen. Benziner hingegen legten um 9,3 Prozent zu und stellen mit 64 Prozent fast zwei Drittel aller Neuzulassungen.

Der Kreis Paderborn geht für das hiesige Straßenverkehrsamt von einer vergleichbaren Entwicklung im Kreisgebiet aus. Mitte März waren 177.431 Personenkraftwagen zugelassen, davon ein gutes Drittel Dieselfahrzeuge. Tendenz sinkend.

Grund dafür sind mögliche Fahrverbote. Denn für die Belastung der Luft mit Stickoxiden sind neben anderen Verursachern vor allem ältere Dieselautos der Euro-Normen 1 bis 4 verantwortlich. Verbote sollen in Paderborn wie in anderen Großstädten möglichst vermieden werden, ganz auszuschließen sind sie aber nicht.

Umweltprämie soll zum Neuwagenkauf anregen

Automobilhersteller lockt und locken Besitzer schmutziger Diesel mit sogenannten Umweltprämien zum Neuwagenkauf. So waren beispielsweise bei VW bis zum 31. März je nach Neuwagen-Modell bis zu 10.000 Euro drin. „Das ist sehr gut angenommen worden", sagt Geschäftsleiter Georg Gomolka, Geschäftsleiter VW-Thiel. In der Thiel-Gruppe seien über die Umweltprämie insgesamt über 650 Neufahrzeuge abgewickelt worden, etwa 400 davon in Paderborn. Auch Elektrofahrzeuge seien gut verkauft worden.

Viele Hersteller haben die Prämienzahlung verlängert. Ford beispielsweise bietet bei Verschrottungsnachweis eines Dieselautos mit Erstzulassung vor 2006 Prämien von 1.440 bis 8.000 Euro. Der aktuelle Bonus bei Opel beträgt bis zu 7.000 Euro, unabhängig vom Baujahr oder Zustand des zu verschrottenden Autos. Immer mehr ältere Dieselautos verschwinden so vom Markt – sie werden entsorgt.

Verschrottete Frank Koch vom Autocenter Koch am Biberweg in der Vergangenheit zu 80 Prozent alte Benziner, so landen inzwischen zu 90 Prozent Dieselautos in seiner Presse. 90 Prozent davon kommen über Händler. War das Alter der Autos, die auf dem Schrottplatz enden, in den letzten 20 Jahren immer weiter gestiegen, wird durch die Prämienzahlung nun auch vergleichsweise jungen Autos der Garaus gemacht.

Interesse an Dieselfahrzeugen gesunken

Ein Autohaus in Brandenburg wirbt mit der Umweltprämie. - © picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB
Ein Autohaus in Brandenburg wirbt mit der Umweltprämie. (© picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB)

Auf ein Drittel schätzt Frank Koch ihren Anteil. Im Durchschnitt seien die Wagen 10 bis 12 Jahre alt. Das führe inzwischen sogar schon teils zum Überangebot an Ersatzteilen, beispielsweise für den Golf V. Insgesamt, so Koch, sei das Aufkommen aber vom Umfang her längst nicht mit der „Abwrackprämie" von 2009 vergleichbar.

Die jüngsten Diesel, die entsorgt würden, seien etwa zehn Jahre alt, schätzt auch Gunnar Kersting, Verkäufer von Neuwagen bei VW-Thiel. Das Interesse an neuen Dieselfahrzeugen sei insgesamt etwas gesunken. Das ist auch daran abzulesen, dass die Prämienverlängerung von VW bei den Kunden offenbar nicht so gut ankommt: Seit 1. April bis 30. Juni zahlt VW zwar 3.000 bis 10.000 Euro Prämie für einen alten Diesel beim Neuwagenkauf, allerdings nur beim Kauf eines neuen Dieselantriebs, nicht für Benziner.

„Das wird nicht so stark angenommen. Die Kunden sind verunsichert, obwohl man beim Diesel mit Euro 6 kein Risiko eingeht", sagt Thiel-Geschäftsleiter Georg Gomolka. Vielfahrer setzten jedoch weiter auf den sparsamen Diesel.
„Gebrauchte Dieselfahrzeuge sind nur noch schwierig abzusetzen", sagt Wolfgang Krenz, Inhaber des gleichnamigen Autohauses. Waren bisher 30 Prozent seines Bestandes Autos mit Dieselmotoren sind es heute 2 bis 3 Prozent. Gestraft sei „der kleine Mann", der seinen Diesel verkaufen will und einen hohen Wertverlust verdauen muss.

Diesel günstiger als Benziner

„Wegen der niedrigen Preise fragen inzwischen Händler aus dem europäischen Ausland an". Diesel-Jahreswagen seien günstiger als Benziner, teils sogar Diesel-Neufahrzeuge mit Euro 6. „Das hatten wir noch nie", so Krenz.

Verunsicherte Kunden beobachtet auch Franz Stephan Kleine. Dabei, so der Inhaber des Ford-Autohauses Kleine, beträfen etwaige Fahrverbote in Städten vermutlich nur einzelne Straßen oder Stadtteile. „Das betrifft den Alltag der meisten Kunden gar nicht." Man müsse stets individuell schauen: wofür braucht der Kunde den Wagen?

Pendler und Außendienstler seien nach wie vor besser beraten mit Dieselfahrzeugen, für die es gegenwärtig noch keine wirklichen Alternativen gebe. Auch Gewerbekunden kauften aktuell weiter Dieselfahrzeuge. „Die Hysterie muss ’raus aus dieser Diskussion", fordert Franz Stephan Kleine eine „fundierte Verbraucheraufklärung".

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