Worpswede. Er hat alles, was offenbar mancher Mann so braucht: eine junge niedliche Braut, leicht naiv, und drei Verhältnisse – eine Mitteljunge, eine Alte und einen Mann. So einen Glückspilz kann es doch gar nicht geben. Es gibt ihn auch nicht, weder in Wirklichkeit noch auf der Bühne des Theaters Alte Molkerei. Aber die drei plus eine, denen er den Kopf verdreht hat, die gibt es in der Musikkomödie „Liebe, Lust und Lockenwickler“ von Martina Flügge, die jetzt unter Regie von Dominik Paetzhold eine vielbeklatschte Premiere feierte.
„Dein Friseur weiß alles“, lautet der Untertitel des Stücks, und im Frisiersalon „Uschi & Uschi“ treffen sich auch alle. Eine Uschi ist allerdings nicht dabei, der Friseur heißt Pierre (Markus Pickel) und trägt schwarze Shorts zu rosa Strumpfhose, seine Kollegin Jaqueline (Marina Zimmermann) ist genauso aufgedonnert wie er, nur dass bei ihr noch ein guter Zentimeter Schminke und eine nylonblonde Perücke hinzukommen. Sehen Friseusen nicht nur in Manta-Filmen so aus? Aber klar, Friseure sind ja auch alle schwul, nicht wahr? Man (und Mann auch) muss allerdings zugeben, dass Markus Pickel für einen Mann wirklich sehr gut aussieht. Kundin Rita (Svenja Lange), die vom Sturm in den Laden geweht wird, hat für Pierres männliche Reize keine Augen. Ihr Herz ist besetzt, sie heiratet nämlich in zwei Stunden und will sich eine Brautfrisur machen lassen. Große Beratung zwischen Jaqueline und Pierre – Rita weiß nicht so recht. „Sie werden die schönste und natürlichste Braut aller Zeiten sein“, verspricht ihr Jaqueline. Rita weiß immer noch nicht so recht, Zeit für die erste Tanzeinlage: „You Sexy Thing!“ Rita taut auf, aber gründlich. An ihrer Haltung, wenn sie auf den Altar zuschreitet, muss sie aber noch arbeiten, findet Pierre, und als Kavalier zeigt er ihr ausführlich, wie es geht: Kreuz rein, Brust und Po raus. Aber Rita, zuweilen von umwerfender Begriffsstutzigkeit (so scheint es zumindest), will gar nicht allen zeigen, was sie hat und kann.
Fies im Blümchenkleid
Zum Üben ist auch keine Zeit, nun kommt ein Schlachtschiff in den Friseursalon gedampft: Stammkundin Molly (Maraile Woehe), die genauso fies ist, wie sie aussieht in ihrem Blümchenkleid à la VEB Textilkombinat Eisenhüttenstadt. Sie fängt natürlich sofort Streit mit der lieblichen Rita an: „Sie sitzen auf meinem Platz!“ Heute ist sie aber ein wenig milder gestimmt als an den sonstigen Sonnabenden: „Ich bin so heiß wie ein Vulkan!“ Das behauptet sie selbst von sich, sie hat nämlich am Abend ein Date, und hier stimmt sie sich schon einmal darauf ein. Es ist schaurig schön. Wieder eine Beratung zwischen Pierre und Jaqueline aus gegebenem Anlass: Molly muss so geschminkt werden, dass man erkennt, dass sie noch am Leben ist. Leider hört sie noch ganz gut. Übrigens hat auch Pierre heute ein Date, und Jaqueline hat noch wohlige Erinnerungen an das von gestern.
Aber jetzt an die Arbeit! Jaqueline frisiert Rita, Pierre frisiert Molly, so recht kommen beide nicht voran, „Macho, Macho“ endet mit Blitz und Donner vor der Tür, und es wird Zeit für das übliche Friseurgeplauder. Üblich? Na, vielleicht. Was macht Rita denn so mit ihrem Bräutigam? Bis jetzt eigentlich gar nichts. Pierre und Jaqueline sind entsetzt. Hier muss, das ist offensichtlich, kein Liebesleben repariert werden, hier muss erst einmal eines begründet werden. Nur wie? Der Friseur ist ganz Öhr, und nichts wird nach draußen dringen. Leider hört Molly, wie schon gesagt, noch ganz gut. Tanzen kann sie auch – „Hot Spot!“ Wieder endet die Tanzeinlage mit Blitz und Donner, das Licht setzt aus, ein Baumstamm kracht vor die Tür, aber die Feuerwehr ist schon unterwegs. Das behauptet der Polizist (Manfred Wolny), der angeschlurft kommt und seinen Kopf durch den Türspalt steckt. Er selbst ist eher der Typ „Dienst nach Vorschrift“ – in seinem früheren Leben war Manfred Wolny Beamter.
Telefon ist tot, Internet auch, da machen es sich die vier gemütlich, kloppen sich fast, vertragen sich wieder, singen und tanzen zu „Diamonds are a Girl`s Best Friend“, wobei Markus Pickel einen lasziven Schwung entwickelt, dass Marylin Monroe neidisch geworden wäre, und irgendwann hat das Netz wieder Empfang. Das erweist sich aber als tragisch, nun kann Molly nämlich auf ihrem Tablet ganz stolz den Adonis vorführen, den sie am Abend treffen will. Ein Blick auf das Tablet, und Pierre kippt um. Das ist nämlich seiner. Es ist aber auch Jaquelines sexy Hengst. Und es ist – das musste ja so kommen – Ritas Bräutigam. „Was hat sie, das ich nicht habe?“, können die vier sich da nur noch singend und tanzend fragen. Auf diese Frage wird es keine Antwort geben, es kann sie wegen besonderer Umstände gar nicht geben, aber schließlich klärt sich die verworrene Sachlage, und alle haben sich wieder lieb – natürlich gibt es ein Happy End und viel Applaus.
Das Stück wird noch am Freitag und Sonnabend um 19.30 Uhr an den ersten drei Februar-Wochenenden und im gesamten März aufgeführt (außer am 10. Februar) sowie sonntags um 15 Uhr.