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Foto: BRK/BGL

Bergwachten und Bundespolizei-Fliegerstaffel üben Windenrettung aus dem Pidinger Klettersteig

PIDING (ml) – Die Bergwachten Bad Reichenhall, Freilassing und Teisendorf-Anger und die Besatzung eines Transporthubschraubers der Bundespolizei-Fliegerstaffel Oberschleißheim haben am Samstagnachmittag die Rettung von verunfallten Bergsteigern aus dem Pidinger Klettersteig auf der Nordseite des Hochstaufens geübt. Übungsleiter Jens Oswald und seine Ausbilder hatten zwei Stationen eingerichtet: Im Schuttkar östlich der Einstiegswand konnten die Bergretter Windengänge mit dem Luftrettungssack trainieren – weiter oben in einer Wand neben dem Einstieg das so genannte Kaper-Verfahren, bei dem ein im Seil hängender Verunfallter an den Windenhaken gesichert und aus seiner Selbstsicherung geschnitten wird.


Wetterverhältnisse und schwieriges Gelände schaffen bei den meisten Bergwacht-Einsätzen ein Grundrisiko für alle Beteiligten. Damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt und die Sicherheit für Patienten und Einsatzkräfte gewährleistet ist, finden regelmäßig im Gelände Einsatzübungen mit den verschiedenen Hubschrauber-Betreibern statt. Alle Teilnehmer mussten zwei Stationen absolvieren: Angenommen wurde, dass ein Bergsteiger aufgrund der regennassen und rutschigen Felsen den Halt verliert, mehrere Meter tief in sein Selbstsicherungsset stürzt und verletzt am Stahlseil in der Wand hängen bleibt. Das Szenario fand neben der Einstiegswand des Klettersteigs (1.090 Meter) statt, wobei die am Windenhaken des Hubschraubers gesicherten Retter den Verunfallten im so genannten Kaper-Verfahren aus der Felswand pflücken mussten. An einer zweiten Station im Schuttkar östlich des Einstiegs mussten sie den Patienten-Abtransport per Winde im Luftrettungssack üben. Die Besatzung des Transporthubschraubers der Bundespolizei konnte den nahen, vor wenigen Jahren planierten Landeplatz (955 Meter) unterhalb des Schuttkars nutzen, hatte so kurze Flugstrecken und konnte sehr viele Bergretter im vorgegebenen Zeitrahmen transportieren.

Die Bundespolizei-Fliegerstaffeln betreiben mit ihren 20 leichten Transporthubschraubern H155, die optisch wie ein großer, fliegender Delfin aussehen, ein für Bergeinsätze entsprechend leistungsstarkes Muster mit insgesamt 15 Sitzplätzen, einer maximalen Zuladung von rund eineinhalb Tonnen und einer Höchstgeschwindigkeit von 324 Kilometern pro Stunde. „Der Hubschrauber ist ideal für die Bergrettung. In nur einem Anflug können gleich mehrere Einsatzkräfte samt Ausrüstung zur Unfallstelle gebracht und per Winde abgesetzt werden“, erklärt Bergwacht-Pressesprecher Marcus Goebel.

In einem weiten Bogen schraubt sich der Delfin vor imposanter Berglandschaft elegant am Felskamm entlang direkt auf die angenommene Unfallstelle zu. Bergretter Christian Zelzer wird unter den wachsamen Augen des Winden-Operators Konrad Huber in die Wand abgeseilt. Direkt über Stationsbetreuer Michael Pfnür, der zusammen mit Unfallmime Berni Fuchs gesichert neben der Einstiegswand im Hang hängt, schlagen die Rotorblätter vorbei; die Szene wirkt spektakulär aber in keiner Weise gefährlich, denn der Pilot hält sicher Abstand zum Fels und der Delfin liegt ebenso felsenfest in der Luft. „Die Jungs haben echt Routine und Einsatzerfahrung; man merkt, dass sie das öfters machen müssen“, betont Pfnür, als Christian Zelzer und mit ihm der Heli für kurze Zeit ans Stahlseil des Klettersteigs gefesselt ist. Was dann passiert, sieht aus wie überdimensionales Kirschenpflücken aus der Wand: Im Pendelverkehr holt der Hubschrauber die Übenden per Rettungswinde im Schuttkar knapp unterhalb der Übungsstation ab, seilt sie zum Verunfallten ab, zupft dann beide aus der Wand und bringt sie zum Landeplatz im Schuttkar zurück.

„Unsere Leute üben den Verletzten-Abtransport mit dem Luftrettungssack und das so genannte Kaper-Verfahren, bei dem der Luftretter per Winde zum Patienten abgelassen wird, der hilflos in seiner Selbstsicherung im Steig hängt. Der Retter sichert den Verunfallten dann mit einer zweiten Schlinge zu sich an den Windenhaken; danach wird die Selbstsicherung durch Abheben entlastet und mit einer Kaperschere durchtrennt“, erklärt Goebel. Bergretter sind also eigentlich Seeräuber im Gebirge. Eine Kaper-Rettung ist für die Hubschrauberbesatzung besonders schwierig, da die Maschine für kurze Zeit über die Selbstsicherung des Verunfallten an den Berg gefesselt ist und damit nicht beliebig manövrieren kann. „Die Handgriffe aller Beteiligten bei einem solchen Vorgang müssen deshalb perfekt sitzen!“, betont Konrad Huber von der Bundespolizei, der heute die Rettungswinde bedient. Die gesamte Kommunikation erfolgt über Handzeichen und Blickkontakt, um im Ernstfall bei Funkausfall auch sicher handeln zu können – die Retter wollen für alle denkbaren Fälle gut vorbereitet sein.

Weiter unten im Schuttkar üben die Einsatzkräfte den Abtransport von liegenden Patienten im Luftrettungssack, wobei die Kunst darin besteht, dass sich Retter und Patient nicht im Abwind der Rotorblätter fangen und wie ein großer Propeller unkontrolliert zu drehen anfangen – bei echten Einsätzen arbeitet die Bergwacht deshalb zusätzlich mit einer so genannten Antirotationsleine, die ein Retter vom Boden aus so lange spannt, bis der Sack den Heli erreicht hat – dann wird sie gelöst und abgezogen. Der Aufstieg bis zur Unfallstelle hat fast eine halbe Stunde gedauert, der Weg zurück per Heli nur zwei Minuten. Für einen Verletzten im Notfall wertvolle, lebensrettende Zeit. „Wie gut, dass wir diese Technik haben, wenn wir sie brauchen!“, freut sich Oswald.