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Streit über Unabhängigkeit Madrid leitet Entmachtung der katalanischen Regierung ein

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy will die "verfassungsmäßige Ordnung" wiederherstellen: Die Katalanen sollen neu wählen, die Regionalregierung wird abgesetzt. Jetzt muss der Senat in Madrid noch zustimmen.
Streit über Unabhängigkeit: Madrid leitet Entmachtung der katalanischen Regierung ein

Streit über Unabhängigkeit: Madrid leitet Entmachtung der katalanischen Regierung ein

Foto: Juan Carlos Hidalgo/ AP

Die Regierung Spaniens hat entschieden, Neuwahlen zum Regionalparlament von Katalonien abhalten zu lassen. Beim spanischen Senat beantragt Madrid außerdem die Absetzung des katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont und seines Vizes. Das erklärte Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy am Samstagmittag.

Er sehe sich gezwungen, Artikel 155 der Verfassung zur Anwendung zu bringen, so Rajoy weiter. Es gehe im Kern darum, "die verfassungsgemäße Ordnung wieder herzustellen". Zwar übernehme nach erfolgter Absetzung Puigdemonts die spanische Regierung kommissarisch die Amtsgeschäfte in Katalonien, der Autonomiestatus der Region bleibe aber erhalten, betonte Rajoy.

Am Freitag wird der Senat in Madrid über die von der spanischen Regierung beschlossenen Maßnahmen abstimmen. Das habe das Präsidium der zweiten Parlamentskammer am Samstag beschlossen, teilte ein Senatssprecher mit. Das grüne Licht des Senats gilt als sicher, da die konservative Volkspartei (Partido Popular) von Ministerpräsident Rajoy dort die Mehrheit hat.

Eine Neuwahl des katalanischen Parlaments soll binnen sechs Monaten stattfinden, darüber hatte sich Rajoy nach eigenen Angaben bereits vorher mit zwei von drei katalanischen Oppositionsparteien abgestimmt.

Carles Puigdemont

Carles Puigdemont

Foto: David Ramos/ Getty Images

Ziel des Maßnahmenbündels ist es, die Unabhängigkeitspläne der Provinzregierung in Barcelona zu stoppen. Kataloniens Regierungschef Puigdemont hatte Anfang Oktober ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten, obwohl es vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden war.

Puigdemont droht Anklage wegen Rebellion

An der Abstimmung nahmen weniger als die Hälfte der wahlberechtigten Katalanen teil; von den Wählern, die abgestimmt haben, sollen 90 Prozent für ein unabhängiges Katalonien gestimmt haben. Dann drohte Puigdemont mit der einseitigen Abspaltung des nordöstlichen Landesteils, setzte die Entscheidung darüber aber aus.

Regierungschef Rajoy sagte, das Referendum sei "rechtswidrig" gewesen, Katalonien habe mehrere "einseitige Entscheidungen" getroffen. Im Regionalparlament seien Anfang Oktober die Rechte der Opposition massiv verletzt worden, kritisierte Rajoy. Indirekt warf er Puigdemont vor, es auf die Eskalation angelegt und die Spaltung bewusst herbeigeführt zu habe. "Das hätte man nicht schlechter machen können", sagte Rajoy.

Wie die spanische Zeitung "El Pais" und die Nachrichtenseite "Publico" berichten, prüft die Staatsanwaltschaft derzeit Ermittlungen gegen Puigdemont. Sollte er die Unabhängigkeit erklären, könnte der Führer der katalanischen Separatisten wegen "Rebellion" angeklagt werden.

Am Freitagabend hatte Rajoy gesagt, der innerspanische Machtkampf zwischen Bundes- und Regionalregierung sei an einem "kritischen Punkt". Rajoy hatte erklärt, er habe bei der Wahl der Zwangsmaßnahmen eng mit den katalanischen Oppositionsparteien, der sozialdemokratischen PSOE und der liberalen Partei Ciudadanos, zusammengearbeitet.

Ebenfalls am Freitag hatten die EU und das spanische Königshaus der Regierung Rajoy den Rücken gestärkt und die Unabhängigkeitsbestrebungen scharf kritisiert. Der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, kritisierte diejenigen, die "Zwietracht" säten, indem sie sich "absichtlich" über spanische Gesetze hinwegsetzten und die "Rechtsstaatlichkeit" missachteten - ohne die Regionalregierung jedoch direkt anzugreifen.

Spaniens König Felipe VI. sprach von einem "inakzeptablen Versuch der Abspaltung". Katalonien sei ein "wesentlicher Teil Spaniens des 21. Jahrhunderts". Der Monarch fügte hinzu: "Wir wollen auf das, was wir gemeinsam aufgebaut haben, nicht verzichten."

cht/dpa/Reuters