Nach dem Vulkanausbruch: Wie Tonga wieder ins Netz kommen soll

Seite 2: Gesucht: Spezialschiffe zur Behebung von Kabelbrüchen

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"Es geht auch darum, wessen Kabel zuerst repariert wird", sagt Madory. "Länder zahlen einen Aufschlag, um zuerst dran zu sein." Sobald eines der Schiffe am Einsatzort eintrifft, muss es das Kabel zunächst einfangen. Das erfolgt mittels Hakensystemen. Das eingehakte Kabel, das in der Tiefsee so dünn wie ein gewöhnlicher Gartenschlauch sein kann, wird dann auf das Deck des Schiffes hochgezogen, wo Techniker den Bruch beheben. "Das Kabel selbst ist nicht besonders stabil", sagt Kaufmann. Dann wird es vorsichtig wieder ins Wasser gelassen. "Dieser Prozess hat sich in den rund 150 Jahren, in denen es Unterseekabel gibt, nicht wesentlich verändert", so sein Kollege Madory.

Natürlich gibt es noch weitere Faktoren, die den Prozess erschweren. Tonga benötigt Lieferungen von Hilfsgütern, die schon bald per Schiff eintreffen dürften – von Nahrung bis Wasser. Die Rettung von Menschenleben ist wichtiger als Internet. Und womöglich gibt es auch große Stromausfälle. Auch die genaue Lage des Bruchs kann die Dinge verkomplizieren: Je weiter die Stelle vom Ufer entfernt ist, desto tiefer liegt das Kabel – und desto schwieriger wird es, es zu erreichen und es an Deck zu ziehen. Hinzu kommt die notwendige Netzwerktechnik an Land. Fehlt dieser Strom, funktioniert sie nicht. Und die Schäden könnten auch dort groß sein. "Tonga liegt am äußersten Rand des Internets", sagt Madory. "Je weiter man sich vom Kernnetz entfernt, desto weniger Möglichkeiten gibt es."

Der Ausfall von Tonga zeigt, wie verletzlich die weltweite Netzanbindung sein kann, wenn sie nur an bestimmten Punkten hängt. "Dies ist eine der Geschichten, die die Vorstellung widerlegt, dass das Internet so konzipiert wurde, dass es einem Atomkrieg standhalten kann", sagt Alan Woodward, Professor für Cybersicherheit an der University of Surrey in Großbritannien. Das Netz sei wie mit Kaugummi zusammengehalten an bestimmten Stellen. Dinge wie Vulkanausbrüche seien schwer einzuberechnen. Länder sollten dennoch versuchen, Redundanz durch mehrere unterseeische Verbindungen aufrechtzuerhalten – und zwar idealerweise solche, die verschiedenen Routen folgen, damit ein einzelner Vorfall nicht mehrere Leitungen in Mitleidenschaft zieht.

Doch solche Redundanz ist nicht billig – vor allem nicht für ein kleines Land mit knapp über 100.000 Einwohnern wie Tonga. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass bei einem massiven Vulkanausbruch wie diesem die Bewegung des Meeresbodens einen Riss in einem zweiten Kabel verursacht hätte, selbst wenn es auf der anderen Seite von Tonga verlegt worden wäre. Andrew Bennett, der am Tony Blair Institute for Global Change Internetthemen untersucht, meint: "Auch wenn es im Vereinigten Königreich oder in den USA nicht so sein wird wie in Tonga, so gibt es doch zunehmend geopolitische Spannungen und Debatten über Infrastruktur." Dazu gehören Unterseekabel. Er plädiert für ein gemeinschaftliches Vorgehen der Länder.

Bennett schlägt zwei Optionen vor, um die Konnektivitätslücke zu schließen. Die eine ist die rasche Verbreitung von Satelliteninternet – und hier gibt es gerade einen Boom. Die andere Option besteht darin, mehr Geld für das Problem bereitzustellen. "Wenn man eine belastbare Internetinfrastruktur als öffentliches Gut betrachtet, sollten die Länder, die es sich leisten können, dafür bezahlen und sie auch anderen zur Verfügung stellen", sagt er. Die Schließung des "Digital Divide" bis 2030 würde nach Angaben des Instituts nur 0,2 Prozent des Bruttosozialprodukts der OECD-Länder pro Jahr kosten.

Angesichts der Tatsache, dass das Internet neben Heizung, Strom und Wasser zunehmend als vierte lebenswichtige Infrastruktur angesehen wird, ist ein langer Ausfall für 100.000 Menschen eine echte Katastrophe, die die unmittelbaren physischen Auswirkungen des Vulkanausbruchs noch verstärkt. Und der Vorfall macht deutlich, wie anfällig bestimmte Teile des Netzes sind, insbesondere außerhalb des globalen Nordens. "Das Internet bricht nicht unbedingt in seinem Kern zusammen", sagt Woodward. "Aber es wird zu den Rändern hin ausgefranst."

(jle)