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DDR-Relikt Beim Grünpfeil sehen Verkehrsexperten rot

Autofahrer lieben ihn, Fußgänger und Fahrradfahrer hassen ihn - seit 40 Jahren streiten sich Verkehrsteilnehmer über den Grünpfeil. Experten sehen das Zeichen zunehmend kritisch.
Grüner Pfeil an roter Ampel

Grüner Pfeil an roter Ampel

Foto: Jan Woitas/ picture alliance / dpa

Zum grünen Pfeil hat Peter Struben eine klare Meinung. "Wo er an Ampeln hängt, sollte besser ein giftgrüner Totenkopf aufs Blechschild", sagt der Experte des Fußgänger-Fachverbandes Fuss e.V. "Der Grünpfeil ist gefährlich, oft illegal angebracht und untergräbt die Verkehrsmoral", sagt Struben. Mit dem Vereinsvorsitzenden Arndt Schwab hat er jetzt eine neue Studie publiziert, die die Gefahren des grünen Pfeils, der das Rechtsabbiegen bei rot erlaubt, untersucht.

Ein Ergebnis der Studie: An Kreuzungen mit Grünpfeil herrscht erhöhte Unfallgefahr. Die Auswertung von 505 Kreuzungen in Deutschland hat ergeben, dass es an jeder der 169 untersuchten Grünpfeil-Kreuzungen im Schnitt in drei Jahren 20 Unfälle mit Personenschaden gab. An Ampeln ohne Pfeil lag dieser Wert hingegen nur bei 14. Den Grund dafür sieht Struben in der Missachtung der Grünpfeil-Vorschriften.

"Ich habe schon an Ampeln gestanden, wo die Regeln fast im Sekundentakt gebrochen wurden", so Struben. Dazu gehört unter anderem, dass der Grünpfeil nur dort aufgestellt werden darf, wo der Rechtsabbieger ausreichende Sicht auf die freigegebenen Verkehrsrichtungen hat und Fußgänger und Fahrradfahrer rechtzeitig erkennen kann.

Besonders viele Autofahrer ignorieren laut Struben zudem die Vorschrift, bei grünem Pfeil und roter Ampel an der Linie vor dem Fußgängerüberweg zu stoppen und sich zu vergewissern, ob keine Fußgänger oder Radfahrer kreuzen. Wer ohne zu halten durchfährt, muss mit einer Geldbuße von 70 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen. Werden andere Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet, steigt das Bußgeld auf bis zu 150 Euro. "Aber das wird nie kontrolliert, obwohl sich 75 Prozent aller Autofahrer nicht an diese Vorschrift halten", so Struben.

Der Pfeil als Relikt der Wiedervereinigung

Ähnlich sieht man es beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR): "Viele Autofahrer wissen oft gar nicht, dass sie an der Linie halten müssen, oder ignorieren diese Regelung schlicht. Und dann wird es gefährlich", sagt Detlev Lippard, Verkehrsexperte des DVR. "Es muss außerdem sichergestellt sein, dass der Grünpfeil gut sichtbar für alle angebracht ist", sagt Lippard.

Denn eine weitere Gefahr liege darin, dass das kleine Blechschild oft so angebracht sei, dass Radfahrer es nur schwer erkennen könnten. Sogenannte Geisterradfahrer, die aus der falschen Richtung kommen, stellen außerdem eine weitere Gefahr dar, da diese den Pfeil gar nicht sehen können. "Generell sind wir der Meinung, dass die Grünpfeile nicht notwendig sind. Für den Autofahrer sind sie, wenn überhaupt, nur eine geringe Zeitersparnis" sagt Lippard. Gemessen an den Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer sei das unerheblich. "Außerdem ist der Grünpfeil eher das Ergebnis eines politischen Zugeständnisses an die damalige DDR."

Denn tatsächlich wurde das kleine Blechschild mit grünem Pfeil 1978 erstmals in der DDR verwendet. Das bis dahin erlaubte Rechtsabbiegen auch bei Rot widersprach internationalen Vereinbarungen zum Straßenverkehrsrecht. Nach der deutschen Einheit wurde das Schild auch in den alten Bundesländern verwendet, um den Abbiegevorgang der Autofahrer zu beschleunigen und Staus zu vermeiden.

Autofahrer sparen keine Zeit

Dieser Effekt verpufft laut einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) bereits an der nächsten Ampel. Dort wird man von den Autofahrern eingeholt, die auf Grün gewartet haben, statt die Vorzüge des Pfeils zu nutzen. "Der Grünpfeil ist daher rein objektiv betrachtet ein überflüssiges Verkehrszeichen", heißt es beim UDV. "Er widerspricht den Bemühungen von Städten, den Fuß- und Radverkehr zu fördern und die Straßen barrierefrei zu gestalten. Deshalb sollte seine Anordnung stets kritisch hinterfragt werden."

Laut Schätzungen des UDV gibt es derzeit in Deutschland noch rund 5000 grüne Pfeile, insgesamt befinden sich die Zeichen aber auf dem Rückzug und werden nach und nach abmontiert. Droht dem Pfeil damit nach 40 Jahren das Aus? Vielleicht. Allerdings wird inzwischen schon über einen ähnlichen, neuen Pfeil diskutiert - und zwar für Radfahrer. Nachdem Radler in den Niederlanden bereits seit 1990 einen grünen Pfeil zum Rechtsabbiegen bei Rot haben, hat sich auch die Berliner Landesregierung auf eine zweijährige Testphase für den Radler-Pfeil geeinigt.