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Unter einem Himmel. Gut tausend Jahre lang haben jüdische, christliche und muslimische Astronomen Erkenntnisse über den Gang der Gestirne über Kulturgrenzen hinweg geteilt.

© Österreichische Nationalbibliothek

Ausstellung im Martin-Gropius-Bau: Juden, Christen und Muslime im Dialog der Wissenschaften

Jahrhundertelang tauschten Forscher über die Grenzen des Islam, Christen- und Judentums hinweg ihr Wissen aus.

Solch ein „Haus der Weisheit“ (Bait al-Hikma), das der Kalif al-Mamun, Sohn des legendären Kalifen Harun al-Rashid 825 in Bagdad gründete, wünschte man sich heute in diesen Tagen der Polarisierung und des Populismus. Al-Mamun gründete sein Forschungszentrum mit einer Bibliothek, um zum ersten Mal in der Geschichte systematisch fremdsprachliche Texte zu übersetzen. Die Werke des griechischen Mediziners Galenos und des Hippokrates wurden hier ins Arabische übertragen. Persische, aramäische, syrische, indische und lateinische Werke fanden so ihren Weg ins Arabische und gelangten dann in Folge der arabischen Expansion ab dem 8. Jahrhundert nach Europa.

Keine Scham, die Wahrheit anzuerkennen

Fast tausend Jahre lang beeinflussten sich christliche, jüdische und arabische Gelehrte, indem sie Texte übersetzten und weiter entwickelten. „Wir sollten keine Scham empfinden, die Wahrheit anzuerkennen und sie zu verarbeiten, von welcher Quelle sie auch kommt, selbst wenn sie zu uns von früheren Geschlechtern und fremden Völkern gebracht wird“, schrieb der arabische Philosoph, Mathematiker und Astronom al-Kindi im 9. Jahrhundert in Bagdad, der auch Werke von Aristoteles, Platon und Ptolemaeus ins Arabische übersetzen ließ.

Das Zitat von al-Kindi steht als Motto am Anfang der Ausstellung „Juden, Christen und Muslime. Im Dialog der Wissenschaften 500 – 1500“, die die Österreichische Nationalbibliothek im Martin-Gropius-Bau zeigt. Sie stellt das Zusammenwirken der vier großen Schriftkulturen – der hebräischen, griechischen, lateinischen und arabischen – und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Wissenschaften in Europa und im Nahen Osten dar. Dabei konzentriert sich die Schau auf die Bereiche Medizin und Astronomie, in denen der Wissenstransfer besonders anschaulich zu belegen ist. Interessant ist der Prolog der Ausstellung, in dem die Charakteristika der vier Schriftkulturen erläutert werden.

Medizinisches Wissen gelangte durch Übersetzer in Toledo nach Europa

Die Basis des medizinischen Wissens der Antike legten Hippokrates von Kos (460-370 v. Chr.) sowie Galenos (129-216 n. Chr.), Philosoph und Arzt aus Pergamon. Die Araber übersetzten ihre grundlegende Werke und mit der Eroberung Spaniens gelangte dieses Wissen etwa durch die Übersetzerschule von Toledo nach Europa.

Ein prächtiges Beispiel für illustrierte arabische Handschriften ist das Theriakbuch des Yaya an-Nawi (= Johannes Philoponos) aus dem 13. Jahrhundert aus Mosul. Darin wird dargestellt, wie man damals mit Hilfe von Puppen aus ausgestopften enthaarten Schafhäuten mit Glasaugen Vipern anlockte, damit die ihr Gift verspritzten. Danach konnten sie leichter aufgespießt werden. Die Vipern wurden zur Herstellung des Theriak benutzt, einem im Mittelalter verbreiteten Gegengift zu Schlangenbissen. Eine weitere Seite zeigt Galenos mit einem Gehilfen, wie beide den Theriak herstellen.

Chirurgische Instrumente aus dem 13. und 17. Jahrhundert

Im arabischen Spanien wurde die griechische Medizin eifrig nachgeahmt. Ein schönes Beispiel hierfür sind Manuskripte des Abu l-Qasim az-Zahrawi (Abulcasis) (936-1009/13), der als Arzt in Córdoba wirkte und in einem 30-bändigen Werk vor allem antike Autoren und seine eigenen Forschungen zusammengefasst hat. Berühmt ist der Band „Chirurgia“, der im 12. Jahrhundert von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt wurde. Andere Teile des Sammelwerkes gelangten über hebräische Übersetzungen später ins Lateinische.

Sehr gut nachvollziehen lässt sich der Wissenstransfer an der Darstellung chirurgischer Instrumente. Sie sind nicht nur in prächtig ausgeschmückten arabischen und lateinischen Handschriften aus dem 13. und 17. Jahrhundert abgebildet, sondern auch als Leihgabe aus der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin und der Medizinischen Sammlung der Charité zu sehen.

Astronomisches Wissen war begehrt: für die Bestimmung von Feiertagen

Der zweite große Themenbereich der Ausstellung ist der Astronomie und Astrologie gewidmet. Dieses Wissen, das auf Erkenntnissen des Alten Orients beruhte und über das Arabische nach Europa kam, war für alle drei Kulturkreise von Bedeutung, hatte man doch ein Interesse daran, etwa den Beginn christlicher, jüdischer oder muslimischer Feiertage genau zu bestimmen.

Die Ausstellung, mit der sich Direktor Gereon Sievernich vom Martin-Gropius-Bau verabschiedet, verlangt vom Besucher Geduld und Konzentration, aber sie entschädigt ihn mit überraschenden Erkenntnissen – über einen fruchtbaren Dialog, der über 1000 Jahre angehalten hat und die Basis unserer heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse darstellt.

Die Ausstellung läuft bis 4. März 2018 im Martin-Gropius-Bau,

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