Bundespolizei, das Bundesland Nordrhein-Westfalen und das Bundesinnenministerium – in diesem Dreieck lagen die Zuständigkeiten für die vollzogene, aber offenbar rechtswidrige Abschiebung des Gefährders Sami A.
Alle Beteiligten geben derzeit Statements ab, um ihre Position und die Abfolge von Entscheidungen zu verdeutlichen. Zunächst hatte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärt, der Freitag sei nur einer von mehreren möglichen Terminen gewesen. Die Leitung des Hauses inklusive Minister Horst Seehofer (CSU) sei über diese Planungen zwar informiert gewesen.
Man habe aber nicht sicher vorhersagen können, ob der Flug stattfinden würde, da „die Entscheidungszuständigkeit bei dem Land Nordrhein-Westfalen liegt“. Der als islamistischer Gefährder eingestufte Tunesier A. war am Freitagmorgen in sein Heimatland abgeschoben worden. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen fasste jedoch am Freitagabend einen Beschluss zur Rückholung, weil die Abschiebung „grob rechtswidrig“ verlaufen sei – das Gericht hatte am Vortag ein Abschiebeverbot bestätigt.
Diesen Beschluss übermittelte das Gericht jedoch erst, als das Flugzeug schon in der Luft war – weil es nicht mit einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung rechnete. Das Gericht will nun, dass Sami A. zurückgeholt wird.
45 Minuten nach Übergabe war die Lage plötzlich anders
Die Bundespolizei wiederum teilte am Montag mit, dass es die Abschiebung des Mannes schon vier Tage vorher organisiert hatte. Demnach habe bereits am vergangenen Montag (9. Juli) das Bundesland Nordrhein-Westfalen um die Durchführung und die Übermittlung der Flugdaten gebeten, so das Präsidium in Potsdam. „Das Bundespolizeipräsidium bestätigte dem Land Nordrhein-Westfalen am gleichen Tag den angefragten Flug für den 13. Juli 2018.“ Die Information über den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, „der den Vollzug der Abschiebung bis auf Weiteres untersagt, hat die Bundespolizei erst nach 10.00 Uhr über Online-Medien erreicht“, erklärte die Bundespolizei weiter.
Sami A. sei aber schon um 9.14 Uhr Ortszeit an die tunesischen Behörden übergeben worden. Beamte der Bundespolizei hatten den mutmaßlichen Ex-Leibwächter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden bei der Abschiebung nach Tunesien begleitet. Die dortige Justiz machte dann am Wochenende deutlich, dass sie fortan die Zuständigkeit für Sami A. für sich reklamiert. „Dieser Fall betrifft die Justiz Tunesiens“, sagte der Sprecher der tunesischen Anti-Terror-Staatsanwaltschaft.
Laut Bundesinnenministeriums hat auch die Bundesregierung ihrerseits wieder Kontakt zu den tunesischen Behörden aufgenommen. „Wir werden jetzt mit den tunesischen Behörden sprechen“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die Anwältin des mutmaßlichen Islamisten hat sich unterdessen besorgt über das körperliche Wohl ihres Mandanten geäußert.
„Ich habe von anderen Abgeschobenen gehört, dass sie in den 48 Stunden ohne Anwalt geschlagen wurden“, sagte Seda Basay-Yildiz am Montag in Frankfurt. Tunesischen Vorschriften zufolge hat ein Anwalt spätestens nach zwei Tagen das Recht, seinen Mandanten zu sprechen. Insgesamt dürfe Sami A. nach dem Recht des Landes bis zu 15 Tage ohne Beschluss in Haft sitzen, sagte Basay-Yildiz. Derzeit habe sie keinen Kontakt zu ihm.