Ludwigshafen Abhängig vom Automaten

Nervosität, Stress und Schlafstörungen sind nur einige Auswirkungen, die bei einer Glücksspielsucht auftreten können.
Nervosität, Stress und Schlafstörungen sind nur einige Auswirkungen, die bei einer Glücksspielsucht auftreten können.

«LUDWIGSHAFEN.» Bei Herr M. hat es langsam angefangen. Erst war er nur neugierig und hat ab und zu etwas in den Spielautomaten geworfen. Dann kam der erste große Gewinn: 300 Euro. Seiner Frau hat er immer nur erzählt, dass er mit Freunden unterwegs sei. Als das Geld dann wieder einmal knapp war, ist er erneut spielen gegangen. Statt zu gewinnen, machte er auf einmal Verluste, musste immer mehr spielen, um das wieder auszugleichen. Jetzt hat Herr M. 75.000 Euro Schulden, seine Frau hat immer mehr Stress gemacht. Da ging er spielen, um den Stress nicht mehr zu spüren. Er ist wie in einem Tunnel, das Gewinnen ist wie ein Rausch. Er verliert die Kontrolle. Freunde, Familie, Arbeit – alles ist egal. Hauptsache er kann wieder spielen. Das Beispiel von Herr M. ist nur fiktiv, aber viele Betroffene machen genau so einen Prozess durch. Diesen Teufelskreis zu durchbrechen ist nicht einfach. Eine Hilfe kann Johanna Surrey sein. Die Diplom-Sozialpädagogin hat im Januar die Beratungen für Spielsuchtkranke übernommen, die die Diakonie Pfalz anbietet. Das zwanghafte Spielen ist zwar keine körperliche Sucht wie etwa das Rauchen oder Trinken. Doch auch die sogenannten „Verhaltenssüchte“ wirkten sich auf die Gesundheit aus, erklärt Surrey. Wenn man eine bestimmte Schwelle überschreite, gerate man in einen Sog, der einen immer tiefer in die Abhängigkeit ziehe. „Man wird immer eingeengter“, sagt Surrey. Viele bemerkten das Abdriften erst zu spät. Wenn sie schon begonnen hätten, Freunde und Familie dem Spielen unterzuordnen, oder schon Schulden aufgenommen wurden. Dann suchten sie die fehlende Bestätigung wieder im Spiel und klinkten sich noch mehr aus der Gesellschaft aus. Hier sei der Punkt erreicht, an dem das Wetten zum Lebensmittelpunkt geworden ist. Wenn das Suchtmittel dann nicht mehr vorhanden sei, könne es den Abhängen sehr schlecht gehen, erklärt Surrey, und zählt auf: „Nervosität, Stress, Schweiß, Schlafstörungen.“ Auch Depressionen gingen oft mit einer Sucht einher, das könne sogar bis zum Selbstmord führen. In ihrem Büro in der Falkenstraße 17 stehen einige Stühle in einem Kreis vor dem Schreibtisch. Wer anruft, dem hört sie hier zu. Im Jahr 2017 seien das bei ihrem Vorgänger in der Fachstelle Glücksspielsucht 149 Personen gewesen. Insgesamt haben dort 611 Beratungskontakte stattgefunden. „Tendenziell steigt die Zahl der Ratsuchenden, die von Online- und Computersucht betroffen sind“, meint Surrey. Das Ziel der Gespräche sei nicht, direkt mit dem Spielen aufzuhören. Dann würde nämlich keiner kommen, meint Surrey. Manche besuchten ihre Sprechstunde nur, da sie von ihrem Partner gezwungen würden. Die Pädagogin versucht deshalb immer zuerst, eine gute Beziehung zum Gesprächspartner aufzubauen und herauszufinden, was sich der Gegenüber erhofft. Immerhin sei das Hilfesuchen schon die halbe Miete, erklärt Surrey. Dann habe man erkannt, dass man wirklich ein Problem habe – für das es aber leider keine Universallösung gibt. Eine gute Möglichkeit sei es, sich eine Hürde zu setzten, die man vor dem Spielen überwinden müsse. Zum Beispiel, sich in Spielhallen oder Online-Casinos sperren oder eine andere Person das eigene Geld verwalten lassen. Das könne in kritischen Momenten den Unterschied ausmachen. „Es ist harte Arbeit, wieder zurückzukommen“, sagt Surrey über den Prozess, sich wieder in das frühere Sozialleben einzugliedern. Rückfälle gehörten dabei zum Normallfall. Denn wer einmal betroffen ist, verbringe den Rest seines Lebens mit einem „Suchtgedächtnis“. Selbst nach 30 Jahren ohne Glücksspiel könne man wieder durch ein unerwartetes Erlebnis zur Sucht zurückkehren. Trotz Rückfällen beschreibt Surrey ihren Beruf als „dankbare Arbeit“. Sie fokussiert sich auf das, was ihre Gesprächspartner an Willen mitbringen . Manchmal ist sie sogar überrascht, was einige Hilfesuchende schon alleine geschafft haben. Doch bei allem Optimismus weiß sie auch, dass keiner davor sicher ist, in ein Suchtverhältnis abzurutschen. Und dass auch Spielverbote keine Abhängigkeiten verhindern könnten. Denn: „Das Spielen und Wetten ist so alt wie der Mensch selbst.“ Noch Fragen? Die Glücksspielsuchtberatung kann unter Telefon 0621-5204457 erreicht werden. Einmal im Monat trifft sich auch eine Gruppe von Spielsüchtigen unter der Leitung von Surrey.

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