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Wer wird Jesus in Oberammergau?

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Christian Stückl inszeniert die Passion im Jahr 2020 bereits zum vierten Mal.
Christian Stückl inszeniert die Passion im Jahr 2020 bereits zum vierten Mal. © Klaus Haag

Wer steht in zwei Jahren als Jesus auf der Bühne in Oberammergau? Am Samstag gibt Spielleiter Christian Stückl die Besetzung des Passionsspiels 2020 bekannt.

Bei den Passionsspielen im Jahr 2020 wirken mehr als 1800 erwachsene Oberammergauer mit. Wer welche Rolle übernimmt, wird bereits an diesem Samstag, 20. Oktober, bekannt: Mit dem Zwölf-Uhr-Läuten werden sich die Menschen am Passionstheater vor einer großen schwarzen Tafel versammeln – um zu sehen, wie mit Kreide die (Doppel-)Besetzungen für die 21 Hauptrollen angeschrieben werden. Wir sprachen mit Spielleiter Christian Stückl, der die Passion 2020 zum vierten Mal inszeniert.

Seit wann steht Ihre Besetzung?

Christian Stückl: Innerlich bin ich durch. Es gibt aber noch zwei Positionen, bei denen ich unschlüssig bin. Ich stelle am 20. ja nicht nur die 21 Hauptdarsteller in der Doppelbesetzung vor, sondern ich muss alle 1830 Mitwirkende eingeteilt haben – ob jemand im Volk, römischer Soldat oder Apostel ist. Da bin ich noch am Rödeln. Der Abdullah  (Abdullah Kenan Karaca ist der zweite Spielleiter der Passion 2020; Anm. d. Red.)  hat die vergangenen zwei Nächte durchgearbeitet und die Einteilung des Volkes gemacht; ich mache nebenbei die der Soldaten. Eine Besetzung mit 1830 Menschen ist viel Arbeit – denn ich muss alle unterbringen, die das Spielrecht haben.

Wie geht das?

Stückl: Das muss ich mir noch einfallen lassen. Schwierig wird es, wenn Leute sagen, dass sie nur am Nachmittag Zeit haben oder nur am Abend. Bei jeder Besetzung, die ich mache, muss ich am Ende prüfen, ob das mit der von den Mitwirkenden vorgegebenen Zeit passt. (Seufzt.)  Heuer tu ich mich echt schwer.

Zudem müssen Sie das Alter von Darsteller und Figur bedenken...

Stückl: 45 Prozent der Hauptdarsteller haben noch nie eine Hauptrolle gespielt. Das heißt auch, dass es Enttäuschungen geben wird – wenn jemand eine Rolle zweimal gespielt hat, ich jetzt aber einen Jüngeren brauche.

Sie haben sich den Sonntag also freigehalten, um zu trösten?

Stückl: Da wird der Sonntag nicht ausreichen. (Lacht.) Vielleicht muss ich etwas sagen, bevor ich am Samstag den ersten Namen bekannt gebe. Du kannst es einfach nicht jedem recht machen.

Wie findet man einen guten Jesus?

Stückl: (Überlegt.)  

Komischerweise ist das gerade beim Jesus ein total emotionaler Punkt. Als ich 1990 oder auch 2000 das Passionsspiel gemacht habe, hatte ich das Gefühl, dass Jesus ziemlich taff sein und eine rebellische Kraft an den Tag legen muss. Als ich es 2010 gemacht habe, dachte ich: Nein, der muss eher in sich ruhen. So hat sich das Jesus-Bild über die Jahre verschoben. Letztlich muss dich der Darsteller einfach erwischen – und dann musst du den zweiten dazu finden. Der kann auch ganz anders sein.

Welche Rolle ist am schwierigsten zu besetzen?

Stückl: Eindeutig Jesus, von dem hängt alles ab. Da spielt dann sogar die Größe eines Darstellers eine Rolle.

Sprechen Sie vorab mit Ihren Jesus-Darstellern?

Stückl: Ich bin mir noch unsicher. Beim letzten Mal habe ich die beiden am Abend vorher angerufen und gesagt: Kommt mal schnell zu mir...

Der Gemeinderat wird am Vortag informiert.

Stückl: Bei diesem traditionellen Spiel ist es so, dass der Gemeinderat sein Veto einlegen kann, wenn er den Eindruck hat, dass etwas der Gemeinde zum Schaden gereichen könnte. Aber dass eine Zweidrittelmehrheit gegen einen Darsteller sein wird – das wird jetzt erstmal nicht passieren.

Sind Sie dennoch nervös?

Stückl: Ich merke, dass mir eigentlich der Gemeinderat ziemlich egal ist, aber ich trotzdem nicht ganz frei bin. Natürlich gibt es auch im Gemeinderat Hoffnungen. Natürlich sitzen da Leute, die schon lange mit mir Theater spielen – aber selbst bei denen kann es sein, dass sie nicht zufrieden sind. Ich behaupte zwar, dass es mir wurscht ist – das ist es aber nicht. (Lacht.)

Wie ist das Geschlechter-Verhältnis bei den Mitwirkenden?

Stückl: Wie beim Schultheater: Es melden sich mehr Frauen als Männer – aber die Rollen hast du einfach nicht. Obwohl ich ein Befürworter der Gleichberechtigung bin.

Dann braucht’s einen weiblichen Jesus...

Stückl: Aber die macht es doch auch nicht wett. Dann hast du trotzdem noch 1000 Frauen, die du unterbringen musst. Bei den Männern gibt es jüdische Soldaten, römische Soldaten, Hohe Priester, Apostel und Volk. Bei den Frauen gibt es außer Maria Magdalena und drei, vier Frauen am Kreuzweg nur Volk.

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