Die pakistanische Regierung wollte sie, ebenso Al-Kaida, und nun die Terrorbande Islamischer Staat (IS): Aafia Siddiqui. Die promovierte amerikanische Neurowissenschaftlerin mit pakistanischen Wurzeln sitzt eine 86-jährige Haftstrafe ab, weil sie Terroranschläge geplant und bei ihrer Verhaftung auf US-Beamte gefeuert haben soll.
Die USA hätten die in Geheimdienstkreisen als «Lady al Qaida» bekannte 42-Jährige schon oft gegen Geiseln austauschen können. Doch es sieht nicht danach aus, als ob Präsident Obama darauf einsteigt. Er hätte Siddiqui für Bowe Bergdahl tauschen können, lehnte aber ab. Der seit 2009 vermisste Soldat kam diesen März trotzdem frei, im Gegenzug entliessen die USA fünf Taliban aus Guantanamo.
Auch für den vergangene Woche ermordeten US-Fotografen James Foley soll es ein gleichlautendes Angebot gegeben haben. Inzwischen droht der IS mit der Ermordung einer 26-jährigen Hilfsarbeiterin, sollte Siddiqui nicht freikommen. Zusätzlich soll die US-Regierung 6.6 Millionen Dollar Lösegeld bezahlen.
Im Gegensatz zu europäischen Staaten (darunter auch die Schweiz) lehnt Washington Lösegeldzahlungen ab. Laut dem US-Magazin «Foreign Policy» soll es im Pentagon aber Kreise geben, die an einer Siddiqui-Option arbeiten. Da die Frau – anders als Guantanamo-Insassen – rechtskräftig verurteilt ist, müsste Obama sie zunächst begnadigen.
Über die Gründe für das grosse Interesse an Siddiqui kann nur spekuliert werden. Seit ihrer Verurteilung geniesst sie in Pakistan den Status einer Volksheldin. In der Presse wurde sie vielerorts als Opfer einer anti-muslimischen Paranoia dargestellt. Es gibt sogar eine Aafia-Siddiqui-Brigade, die Anschläge gegen Regierungseinrichtungen verübt hat. IS dürfte sich von der Freipressung eines derart prominenten Häftlings zusätzliche PR erhoffen – zumal Al-Kaida zuvor mit demselben Vorhaben gescheitert war.
Aafia Siddiqui war 1990 in die USA gekommen und studierte am renommierten Massachusetts Institute Of Technology (MIT). 2001 promovierte sie in Neurowissenschaften. Ein Jahr später wurde sie vom FBI befragt, weil sie für 10'000 Dollar Nachtsichtgeräte, schusssichere Westen und militärische Handbücher gekauft hatte.
Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Pakistan wurde Siddiqui zur Fahndung ausgeschrieben und stand 2003 auf der Liste der sieben meist gesuchten Al-Kaida-Flüchtigen. 2008 wurde sie von US-Kräften in Pakistan festgenommen. Bei einem Verhör soll sie ein Sturmgewehr ergriffen und damit mindestens zwei Mal auf US-Amerikaner geschossen haben. 2010 wurde sie zu 86 Jahren Gefängnis verurteilt. Sei ist in einem Bundesgefängnis in Texas ein.