Mit der Präsentation der Sony Alpha 9 III hat der Mischkonzern Ende 2023 für Aufsehen gesorgt, handelt es sich dabei doch um die erste Vollformatkamera mit einem Global-Shutter-System. Dadurch sollen Serienaufnahmen mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde bei vollem Funktionsumfang verzerrungs- und Blackout-frei möglich sein. Mittlerweile ist die Profikamera zu einem stolzen Preis von 6.999 Euro – ohne Objektiv – erhältlich.

Sony Alpha 9 III
Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Sony Alpha 9 III nicht großartig von einer anderen Profikamera. Hier kommt es auf die inneren Werte an.
Der Standard/Stefan Mey

DER STANDARD hat getestet, ob es sich bei diesem Gerät tatsächlich um die angekündigte Kamerarevolution handelt. Wie immer gilt dabei, dass Fotos von der Website des STANDARD heruntergerechnet werden, die Originalbilder können daher unter diesem Link abgerufen werden.

Was ist Global Shutter?

Zunächst muss aber die Frage beantwortet werden, was Global Shutter eigentlich ist. Die meisten Kameras verwenden einen sogenannten Rolling Shutter, bei dem der Sensor das Bild Zeile für Zeile erfasst. Die Informationen des Bilds werden also nicht gleichzeitig, sondern schrittweise aufgenommen. Bei statischen oder sich nur langsam bewegenden Motiven spielt das keine große Rolle, bei sich schnell bewegenden Objekten kann es aber zu Bildverzerrungen und Artefakten kommen.

Das bezeichnet man in der Fachsprache als Rolling-Shutter-Effekt. Beobachten kann man dies etwa bei sich schnell drehenden Propellern, die auf Fotos unnatürlich dargestellt werden, oder in der Sportfotografie bei Schlägern, die gebogen wirken. Der Global Shutter hingegen belichtet das Bild gleichzeitig in einem Durchgang, wodurch dieser Effekt komplett eliminiert wird: Ein sich bewegendes Objekt wird an der entsprechenden Stelle "eingefroren", bewegt sich also während des Belichtungsvorgangs nicht an eine andere Stelle, und es kommt nicht zu Bildverzerrungen.

Sony Alpha 9 III
Blick von oben: Die Einstellräder der Sony Alpha 9 III werden fixiert, damit sie sich im Pressefotografengerangel nicht ungewollt verschieben.
Der Standard/Stefan Mey

Hinzu kommt, dass durch das gleichzeitige Belichten aller Bildpunkte Zeit gespart wird, was eben entsprechend schnelle Serienaufnahmen bei gleichzeitig hoher Auflösung ermöglicht. Beide Vorteile machen derartige Kameras zu besseren Kandidaten für spezifische Anwendungsbereiche mit sich schnell bewegenden Motiven, allen voran die professionelle Sportfotografie.

Serienbilder mit der Sony Alpha 9 III

Wie schlägt sich der Global Shutter der Sony Alpha 9 III nun im Praxistest? Der erste Eindruck ist kein optischer, sondern ein akustischer: Die Sony Alpha 9 III macht beim Fotografieren nämlich keine Geräusche, die knipst vollkommen lautlos. Mit dem entsprechend aktivierten Serienbildmodus können somit geräuschlos über 120 Bilder pro Sekunde gemacht werden, die sich entsprechend auf der SD-Karte ansammeln. Sie werden auf Wunsch im Jpeg- oder im Heif- ebenso wie im verlustfreien Raw-Format gespeichert. Bei der höchsten Auflösung von 24 Megapixeln ist eine dieser Raw-Dateien 24,4 Megabyte groß, eine Jpeg-Datei belegt 11,8 MB Speicherplatz.

Amphibienfahrzeug
Kein echtes Sportereignis, aber ausreichend für Demonstrationszwecke der Serienbildaufnahme: Der Rallyefahrer rast mit Vollgas durch das Gelände, Wasser spritzt. Belichtungszeit: 1/500 Sek., Blende 5,6, ISO 250, 70 mm Brennweite.
Der Standard/Stefan Mey

Ausgedrückt werden kann die Geschwindigkeit auch mit entsprechenden Verschlusszeiten: Im Einzelbildmodus kann die Sony Alpha 9 III mit einer Verschlusszeit von bis zu 1/80.000 Sekunde fotografieren, im Serienbildmodus ist 1/16.000-Sekunde der schnellstmögliche Wert. Diesen einzusetzen erfordert freilich entsprechende Lichtverhältnisse beziehungsweise ein lichtstarkes Objektiv. Der ISO-Bereich der Sony Alpha 6 III reicht von 125 bis 51.200.

Global Shutter anstatt Rolling-Shutter-Effekt

Das Potenzial der Kamera liegt aber nicht nur in der Masse an Serienbildern, sondern wie bereits erwähnt in der Verhinderung von Bildverzerrungen bei sich bewegenden Objekten. Dies wurde im Test anhand eines sich bewegenden Ventilators erprobt – sicherlich nicht das hübscheste Motiv aller Zeiten, aber die beste Option, um im eigenen Zuhause einen rotierenden Propeller zu simulieren. Der Ventilator wurde zwecks Test auf die höchstmögliche Stufe eingestellt.

Dabei wurde die Kamera in verschiedenen Belichtungszeiten erprobt sowie Fotos einer anderen Vollformatkamera, einer Sony Alpha 7C II, als Vergleichswert herangezogen.

Ventilator
1/80.000 Sek. Belichtungszeit, ISO 12.800, Blende 2,8.
Der Standard/Stefan Mey
Ventilator
1/40.000 Sek. Belichtungszeit, ISO 10.000. Blende 2,8.
Der Standard/Stefan Mey
Ventilator
1/20.000 Sek. Belichtungszeit, ISO 5.000, Blende 2,8.
Der Standard/Stefan Mey
Ventilator
1/1.000 Sek. Belichtungszeit, ISO 250, Blende 3,2.
Der Standard/Stefan Mey
Ventilator
Zum Vergleich: dasselbe Motiv, aufgenommen mit einer Sony Alpha 7C II. Belichtungszeit ebenfalls 1/1.000 Sekunde, ISO 320, Blende 2,8.
Der Standard/Stefan Mey

Auf dem letzten Foto dieser Serie – dem Vergleichsfoto mit der Sony Alpha 7C II – sind bei genauerer Betrachtung Verzerrungen bei den sich bewegenden Rotorblättern erkennbar. Diese zeigen sich bei den Aufnahmen mit der Sony Alpha 9 III nicht, wodurch sie ihren Zweck auch im Praxistest erfüllt: Sie stellt Bewegung ohne Verzerrung dar.

Durchaus beachtlich ist im Kontext dieser Bilderserie aber auch ein ganz anderer Aspekt: das Fehlen von Artefakten, die oft bei zu hohen ISO-Werten ausgelöst werden. So wurde das erste Bild der Serie mit einer Verschlusszeit von 1/80.000 Sek. aufgenommen und die kurze Belichtungszeit durch einen recht hohen ISO-Wert von 12.800 ausgeglichen, der Bildqualität tut dies hingegen keinen Abbruch.

Ball
Ein weiteres Beispiel für ein Bild mit Bewegung: ein Basketball, aufgenommen mit 1/40.000 Sek. Belichtungszeit, ISO 1.000, Blende 2,8.
Der Standard/Stefan Mey

Zu beachten ist wiederum ein Nebenaspekt, der zwar banal klingen mag, sich in der Praxis eines Berufsfotografen aber durchaus negativ bemerkbar machen kann: Wer viele Fotos hintereinander machen kann, der macht auch entsprechend viele Fotos. Und so füllte sich die SD-Karte im Test recht schnell mit der Masse an Bildern in der zuvor genannten Dateigröße. Das Sichten auf dem PC kann sich vor allem bei der Serienaufnahmen anschließend zu einer recht ermüdenden Tätigkeit entwickeln. Ein Mehr an Arbeitszeit, das mit einer weniger schnellen Kamera so vermutlich nicht angefallen wäre.

Autofokus mit KI

Erwähnt wird von Sony auch, dass der Global Shutter durch einen "KI-basierten Autofokus mit bis zu 120 AF-/AE-Berechnungen pro Sekunde" ergänzt wird. In der Praxis gelingt es dem Autofokus tatsächlich, sich auch auf ruckartig bewegende Motive zu fokussieren und diese zu halten. Bei Porträts von Menschen fokussiert die Kamera automatisch auf die Augen.

Zu Problemen kann es allerdings kommen, wenn sich mehrere Motive in einem Bild befinden oder Motive teil- beziehungsweise zeitweise überdeckt werden. Das kann in der Naturfotografie bei Herdentieren oder bei der professionellen Sportfotografie im Mannschaftssport zu nicht immer perfekten Ergebnissen beziehungsweise zu stressigen Situationen in der Hitze des Blitzlichtgefechts führen.

Huhn
Autofokus mit einem Motiv: alles bestens, die Kamera fokussiert perfekt auf das Auge des Huhns.
Der Standard/Stefan Mey
Hühner
Mehrere sich bewegende Motive in einem Bild: Hier war der Autofokus überfordert.
Der Standard/Stefan Mey

Ferner ist es möglich, Videos mit einer Auflösung von bis zu 4K mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde ohne Beschneidung des Bildausschnitts aufzunehmen. Dies geschieht allerdings mit einer Schreibgeschwindigkeit von 200 Mbit/s und setzt eine entsprechend schnelle SD-Karte voraus, die im Testumfeld leider nicht vorhanden war.

Viele Anschlüsse, Raum für Individualisierung

Sucht man in der Kamera nach Innovationen abseits des Global Shutter, so findet man zwar keine weitere Revolution, es werden aber diverse Ansprüche des Profibereichs abgedeckt. Das beginnt damit, dass der Speicherhunger der Alpha 9 III durch zwei Kartenslots gestillt werden soll, in die sich gängige SD-Karten ebenso wie CFexpress-Karten vom Typ A unterbringen lassen.

An Drahtlosverbindungen sind WLAN und Bluetooth weiterhin an Bord, NFC wurde gestrichen. Keine Wünsche bleiben offen, wenn es um Kabelverbindungen geht. So finden sich unter den entsprechenden Abdeckungen ein 3,5-mm-Mikrofonanschluss, ein 3,5-mm-Kopfhöreranschluss, ein HDMI-Stecker (Typ A), USB-C und Micro-USB sowie ein LAN-Anschluss zwecks schnellerer FTP-Übertragung über ein kabelgebundenes LAN.

Sony Alpha 9 III Anschlüsse
In Bezug auf die Anschlüsse bleiben keine Wünsche offen.
Der Standard/Stefan Mey

Der 1,6 cm große Sucher hat eine Auflösung von 9.437.184 Bildpunkten. Das acht Zentimeter große LC-Display verfügt über eine auf Wunsch deaktivier- und adaptierbare Touchfunktion und bietet eine Auflösung von rund zwei Millionen Bildpunkten. Das Display ist auf vier Achsen neig- und schwenkbar.

Sony Alpha 9 III
Praktisch: das auf vier Achsen neig- und schwenkbare LC-Display.
Der Standard/Stefan Mey

Inklusive Akku und Speicherkarte kommt die Kamera mit Abmaßen von 136,1 x 96,9 x 82,9 mm auf ein Gewicht von 702 Gramm. Durch den handlichen Seitengriff lässt sich trotz des stattlichen Gewichts auch mit einer Hand gut tragen. Insgesamt fünf programmierbare C-Tasten schaffen zusätzlichen Raum für Individualisierung. Die Drehräder auf der Oberseite der Kamera sind mit verschiedenen Funktionen übereinander gelagert und müssen durch Druck von Knöpfen gelöst werden, bevor sie sich verstellen lassen. Das gewährleistet, dass sich Einstellungen im Pressefotografengerangel nicht ungewollt verschieben.

Fazit: Für Profis – und nur für Profis

Der Global Shutter der Sony Alpha 9 III erfüllt seinen Zweck: Er ermöglicht schnelle Serienaufnahmen und vor allem bei Einzelaufnahmen eine extrem kurze Belichtungszeit, während Verzerrungen bei bewegten Objekten vermieden werden – dies alles auch, ohne Einbußen bei der Bildqualität hinnehmen zu müssen. Im Bereich der professionellen Sportfotografie oder etwa beim Fotografieren von wilden Tieren kann dies durchaus seine Vorteile bringen.

Die Frage ist: Will man das, und braucht man es? Denn die Möglichkeit zu schnellen Serienaufnahmen produziert entsprechend viel Bildmaterial, wodurch anschließend mehr Arbeitszeit in die Sichtung des Materials gesteckt werden muss, ganz zu schweigen von den enormen Mengen an Speicherplatz. Für Menschen abseits der zuvor genannten Profibereiche ist die Kamera wiederum nicht zu empfehlen: Zwar bringt der Global Shutter in spezifischen Nischensituationen Vorteile, für semiprofessionelle Anwender, Hobbyisten und auch Profianwender in anderen Bereichen bringen Konkurrenzprodukte hingegen ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als das hier getestete 7.000-Euro-Gerät. (Stefan Mey, 23.3.2024)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: die Testgeräte wurden dem STANDARD von Sony für einen beschränkten Zeitraum zur Verfügung gestellt.