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Die sudanesisch-schottische Musikerin Eliza Shaddad.

© Oktober Promotion

Neues Album von Eliza Shaddad: Wenn der Mann seinen Kopf unters Kissen steckt

Die sudanesisch-schottische Musikerin Eliza Shaddads vermischt auf ihrem Album „The Woman You Want“ Indie-Rock und folkige Elemente.

Ein kleines Häuschen im südenglischen Cornwall, die Wände sind dünn, die Nachbar*innen hellhörig. Es ist Lockdown-Zeit und die Musikerin Eliza Shaddad will hier ihr zweites Soloalbum aufnehmen. Also polstern sie und ihr Ehemann BJ Jackson, der als Produzent der Platte fungiert, die Räume mit Matratzen aus, laden weitere Musiker*innen zu sich ein und beginnen mit den Aufnahmen.

Diese spezielle Situation hört man dem gerade erschienen Werk „The Woman You Want“ in keinem Moment an. Die neun Song klingen nicht nach Bedroom-Sessions, sondern wie eine ausgefeilte Studioproduktion. Was wiederum sehr gut zu Eliza Shaddads folkrockigem Sound passt, der schnell eine große Vertrautheit ausstrahlt.

Herzzerreißender Klagegesang

Bei der Single „Heaven“ kommt das Gefühl auf, dass sie schon seit Jahren im Radio gespielt wird. Das könnte allerdings auch daher rühren, dass der Song mit den treibenden Gitarren und dem Mandolinen-Mundharmonika-Finale an die frühe Alanis Morissette erinnert.

Ähnlich kraftvoll und fordernd wie ihre kanadische Kollegin wirft sich Shaddad in den Gesang des Liedes, das von einem Krankenhausbesuch inspiriert ist und den Charakter einer Mutmach-Hymne hat. Im Refrain heißt es: „I want you to keep holding on/ Yeah I want you to keep holding on/ I know life can be unkind/ And you’ve got heaven on your mind/ But I want you to keep holding on“.

In London als Tochter eines sudanesischen Astrophysikers und einer schottischen Diplomatin geboren, wuchs Eliza Shaddad in sieben verschiedenen Ländern auf. Beide Eltern waren kürzlich ernsthaft krank, erholten sich dann aber.

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Dafür starben die Großmütter der Musikerin, wovon „In the Morning (Grandmother Song)“ handelt. Shaddad singt zunächst zurückgennommen zu einem Gitarren-Picking und steigert sich dann getragen von Streichern und einem Klavier in einen Klagegesang hinein, bei dem die Vergeblichkeit der Zeilen „Come back to me/ Come back to your family/ It’s too soon to lose you“ eine herzzerreißende Intensität entwickeln.

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Auch sonst ist das Album hochemotional. Die frisch verheiratete Eliza Shaddad hat in Interviews angedeutet, wie herausfordernd das pandemiebedingte ständige Zusammensein für das Paar war – und übt in ihren Songs mitunter recht offenherzige Partnerkritik. Schon im Erföffnungsstück „The Man I Admire“, fragt sie sich, warum der Mann, der sie vor der Dunkelheit beschützen soll, seinen Kopf unter dem Kissen versteckt.

Und in „Fine & Peachy“ haut sie ihm seine Unehrlichkeit um die Ohren, wenn sie singt: „Fuck you I can’t believe it’s come to this/ Don’t try and tempt me with your Judas kisses/ Don’t try and act as if you’re on my side/Oh what good’s a man who won’t meet my eye?“ Es dürfte für BJ Jackson nicht immer leicht gewesen sein, die Lieder seiner Frau aufzunehmen oder sie nur metaphorisch zu verstehen.

[„The Woman You Want“ erscheint bei Ferryhouse Productions.]

„Fine & Peachy“ erinnert ein wenig an die Sheryl Crow und verbindet Aufmüpfigkeit mit einer schöne Eingängigkeit. Das Stück gehört zur eher nordamerikanisch anmutendenen ersten Hälfte der Platte, die ihr Soundspektrum in der Mitte erweitert und andeutet, dass Eliza Shaddad nicht nur reichhaltige Erfahrung als Straßenmusikerin hat, sondern an der Guildhall School of Music and Drama in London auch Jazz studiert hat. „Waiting Game“ etwa türmt über dreampoppigen Gitarren ein derart opulentes Crescendo auf, dass die Nachbar*innen wahrscheinlich doch etwas davon mitbekommen haben, als im Schlafzimmerstudio Schicht um Schicht aufgestapelt wurde.

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Immer wieder betörend ist die strahlende Leichtigkeit von Eliza Shaddads Stimme, die sie mit Bedacht einsetzt und sich nie zu Angebereien hinreißen lässt. Da reicht es dann wie im folkigen Abschlussstück „Blossom“ schon mal den Refrain lediglich mit Uhhhs und Huuuhs zu bestreiten, um zu den zarten Oud- und Streicherklängen einen Frühlingswind heraufzubeschwören und den Hörer*innen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Das ist fast ein bisschen kitschig, doch wer mag sich daran stören, wenn nach der Lockdown-Dunkelheit endlich die Zuversicht zurückkehrt?

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