„Der Preispunkt tut weh, darüber müssen wir nicht reden. Aber er ist richtig und wichtig“, erzählt uns Valves CEO Gabe Newell im Rahmen der Weltpremiere des Steam Decks . „Mir ist es lieber, weniger Gewinn mit der Hardware zu machen und dafür Millionen von Einheiten zu verkaufen, um eine komplett neue Gerätekategorie am Markt zu etablieren. Es wird Zeit, PC-Gaming in höchster Qualität mobil zu machen, losgelöst von einem Desktop-PC oder Laptop. Ich möchte, dass auch andere Hardware-Anbieter ihre eigenen Steam Decks herausbringen.“ Ein spannendes Statement, denn Alienware hat mit dem Alienware UFO Concept auf der E3 bereits einen Highend-Gaming-Handheld präsentiert. Auf Messen präsentiert man Konzepte, um zu schauen, ob überhaupt Interesse an einer potentiell neuen Gerätekategorie besteht. Denn Alienware steht eher für Ultra-Highend-Gaming mit Hochpreissegment. Das Steam Deck ist also prinzipiell spannend, weil es mit seinem niedrigen Preispunkt eine neue Gaming-Zielgruppe ansprechen wird, die schnell wächt, wie Nintendo gezeigt hat: Gerade in größeren Familien, wo der Fernseher oder PC gerne mal besetzt ist, können dann die Kids Fortnite auf der Switch spielen. Und mit 670 Gramm ziemlich leicht ist, leicht wie ein iPad Pro.
Nintendo spielt in seiner eigenen Liga und lebt in seiner eigenen Welt: Die Switch verkauft sich sehr gut, es gibt für die Japaner keinen Grund, in nächster Zeit eine Highend-Switch herauszubringen. Der Nintendo-Fan gibt sich ja generell mit wenig Hardware-Power zufrieden, mehr möchten vor allem die, die eben auch ein The Witcher 3, ein Doom, ein Crysis Remastered auf der Switch mit besserer Performance und Grafik genießen möchten. Und genau hier möchte Valve angreifen und jene Zielgruppe von mobilen Gamern abholen, die nicht die höchsten Ansprüche hat, aber auch nicht auf einer Switch spielen möchte. Ein bisschen hübscher, aber auch nicht Welten schöner. Ja, Star Wars: Jedi Fallen Order sieht im ersten Footage gut bis sehr gut aus, allerdings mit einer Kamera, die sehr weit weg ist und über die Schulter filmt. Werden wir auf dem Steam Deck in schöner Grafik grafisch anspruchslose Spiele wie Hades oder Disco: Elysium genießen? Klar, kein Problem. Ob ein Control gut darauf läuft, was brutal anspruchsvoll ist ob seiner vielen Physik-Effekte, hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Wird spannend sein, ob Remedy und andere Studios hier die Optimierung hinbekommen. Zumal das Steam Deck auf Steam OS 3.0 läuft, also auf einer Linux-Distribution, die auf Arch basiert. Valve muss also eine Kombatibilitätsebene namens Proton einbauen, denn die meisten PC-Spiele basieren auf Direct X und Windows 10.
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Reden wir über die Hardware, die so spannend wie exotisch ist: Valve möchte hier die Zielgruppe ansprechen, die zwischen Casual und Core-Gamern steht. Die hochwertige Spiele wie Control genießen möchten, aber denen die Grafikqualität weniger wichtig ist. Die nicht in Raytracing 4K spielen müssen, sondern in der Qualität einer Playstation 4. Denn exakt diese Power bringt das Steam Deck mit: Eine modifizierte 4-Kern-APU Zen 2, getaktet auf 2,4 GHz, soll rund 1,6 Terraflops auffahren. Zum Vergleich: Eine Xbox Series S hat 4, die Xbox Series X 12,5 Terraflops und eine PS5 10,28 Terraflops. Die GPU-Seite ist ebenfalls eher schwach aufgestellt, wenn wir über aktuelle Hardware-Anforderungen sprechen. Aber letztlich ungefähr so performant wie eine PS4, mit der man ja heute auch noch spielen kann. Das Steam Deck wird eine 8 CU (Compute Unit) RDNA2 Architektur verwenden. Also eine moderne Architektur, die sogar Raytracing-fähig ist.
Aber mit so wenig Leistung, dass das keinen Sinn ergeben würde. Wir reden hier von einem 512-Kern-Grafikchip, getaktet mit 1,0-1,6 GHz. Um eine derart schwache Grafikkarte zu finden, muss man schon ein Stückchen in der Zeit zurückreisen – eine Geforce GTX 1050 würde wohl in dieser Liga spielen. Aber auch hier muss man sagen: Wer einfach nur Fortnite spielen will oder Grafik nicht so wichtig ist, der würde auch im Jahr 2021 noch mit einer GTX 1050 zurechtkommen. Es wäre kein großer Genuss, aber als Budget-Lösung geht es. Und wer weiß, vielleicht hat Valve ja Pläne die Cloud zu nutzen für mehr Power? Zumindest zu Hause wäre das eine Möglichkeit, eine Kooperation mit Nvidias Streaming-Service Geforce Now wäre sinnig. Valve will gar nicht die Switch angreifen, sondern Steam mobil machen für Gamer mit etwas weniger Anspruch und konkurriert vor allem mit Microsofts XCloud
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Laut Valve soll das Steam Deck alles in 800p-Auflösung mit 30 Bildern pro Sekunde in hohen Details spielen können. Dabei reden wir von durchaus Performance-intensiven Titeln wie Control, Doom, Star Wars: Jedi Fallen Oder oder der PC-Version von Death Stranding. Valve benutzt hierbei den guten, alten Nintendo-Trick: Um Kosten zu sparen und keine teure Hardware verbauen zu müssen, nimmt man irgendein Display, was es in China hinterhergeworfen gibt – 7 Zoll LCD mit 720p. Nur mal so zum Vergleich: Um ein 720p-Smartphone-Display überhaupt noch bekommen zu können, müssen wir bis ins Jahr 2012 zurückreisen. Wir reden hier vom Samsung Galaxy S3 oder Google Nexus 4. Also nichts mit PC Master Race, aber billig kann durchaus funktionieren – die Nintendo Switch verkauft sich wie geschnitten Brot trotz alter Technik und 720p-Display, wobei man ja jetzt zumindest auf OLED wechselt. Allerdings darf man auch nicht vergessen: Die Switch läuft so gut wegen Super Mario, Zelda, Animal Crossing – Nintendo-IPs. Valve hingegen konkurriert eher mit Cloud-Anbietern. Microsoft bietet mit XCloud die Möglichkeit für Game-Pass-Benutzer, auf Smartphones Xbox-Spiele in hoher Qualität zu streamen.
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Schauen wir uns die aktuellen Android-Smartphone-Flaggschiffe an, wie das Oppo Find X3 Pro, das Samsung Galaxy S21 oder One Plus 9 Pro sind diese in der Regel auch um die 6,7 Zoll groß. Und sehr viel besser ausgelöst als das Steam Deck. Hier wird letztlich die Qualität entscheiden, denn der Xbox Game Pass ist sehr günstig, das Steam Deck kostet in der kleinsten Variante 419 Euro. Die würden wir aber nicht empfehlen, weil 64 GB eMMC wirklich wenig ist. Die meisten Spiele sind heutzutage größer als 64 GByte und ob eine Micro-SD-Karte als Erweiterung die gleiche Performance aufweist, muss sich erst noch zeigen. Tendenziell würden wir eher zur Variante mit 256 GByte raten. Auch weil die Premium-Versionen NVMe-SSDs nutzen, ähnlich wie die Playstation 5 und Xbox Series X. Die günstigste Variante nur eMMC-Speicher, also NAND-Flashspeicher mit einfachem Storage-Controller, die deutlich weniger leistungsfähig sind als NVMEs. Wie Valve mit Highspeed-Speicher seiner lahmen CPU/GPU-Kombi Dampf machen will
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Aktuell möchte Valve noch nicht verraten, welcher Hersteller an Bord des Steam Decks die NVMEs liefert oder wie schnell genau diese sind, seine Ingenieure sind aber sicher, dass sie Valves Einstieg in den mobilen PC-Gaming-Markt ziemlich smooth gestalten werden: „Alles was wir damit getestet haben, läuft stabil in 800p mit 30 Bildern pro Sekunde“, so Valves Chefingenieur Yazn Aldenhayyat: “Ich denke, ein großer Faktor ist, dass wir die neueste GPU-Generation von AMD verwenden. Wir verwenden eine CPU der neuen Generation von AMD, sogar den Speicher selbst, wir verwenden LPDDR5, was ganz neu in der Branche ist. Ich denke, wir könnten tatsächlich eines der ersten Produkte sein, die diese neue Speichertechnologie präsentieren. In diesem Sinne gibt uns das eine Menge Zukunftssicherheit.” Aldehayyat spricht auch über andere Systeme, die dieselbe Architektur verwenden, und könnte durchaus davon sprechen, dass RDNA 2-Optimierungen für Xbox Series X/S und PlayStation 5-Systeme gemacht werden, die auch dem Steam Deck helfen.
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Es ist eine sehr interessante Entscheidung, denn NVMe-SSDs sind teuer im Einkauf. Eine 256-GB-SSD-NVMe kostet so um die 50 Euro für uns als Consumer, natürlich bekommt Valve andere Konditionen, aber es ist nichts was man für ein paar Dollar hinterhergeworfen bekommt. Valve legt also den vollen Fokus auf seinen Speicher und ist dafür bereit, starke Abstriche zu machen in der CPU/GPU-Kombi und auch bei der Qualität des Displays, wobei wir diese nicht zu sehr kritisieren wollen, bevor wir das Steam Deck in der Hand hatten. Valves Hardware-Ingenieur ist guter Dinge, dass SD-Karten als Erweiterungsmedium sehr gut funktionieren werden: „Natürlich ist jedes Spiel anders, und jedes Zugriffsmuster ist anders, aber wir haben einer ganzen Reihe von Leuten das Steam Deck gegeben, mit einer SD-Karte und ich denke die überwältigende Reaktion war, dass die Verwendung der SD-Karte eine großartige Erfahrung war und sie es als vergleichbar empfanden, nicht ganz so gut wie mit der SSD, aber sehr nah dran.“ Das Steam Deck kombiniert PC-Gaming mit viel Smartphone-Technologie wie Gyro-Sensoren
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Gabe Newell liebt Hardware-Experimente. Und da seine Firma Valve mit Steam ungefähr so zuverlässig Milliarden druckt wie Amazon für Jeff Bezos, ist es auch völlig egal, wie viele Leute diese Hardware dann kaufen. Valve ist so absurd reich ob seiner 170 Millionen Steam-Nutzer, ob da ein paar Millionen mehr oder weniger aufs Bankkonto rollen, kann ihnen egal sein. Sie arbeiten aus der bestmöglichen Position heraus, denn Valve hat keine größeren Investoren – es gibt keinen Druck, irgendwelche Gewinnziele erreichen zu müssen. Und so entwickelt man oft, weil man es kann und einfach Lust darauf hat: Die Steam Machines waren eine nette Idee satt Power ins Wohnzimmer zu bringen, die kombinierten SteamOS mit einer zur damaligen Zeit Ultra-Highend-Grafikkarte mit der GTX 1080. Schöne Idee, gekauft haben es nicht viele – so um die 500.000 Stück hat man abgesetzt.
Und weil man für Half-Life: Alyx gerne Motion-Control neu definieren wollte, hat man satt investiert in sein eigenes Index-Headset. Ein tolles VR-Headset mit 144 Hz OLEDs, 130 Grad FOV und einem sündhaft teuren Controller mit 86 Sensoren, der beim Finger-Tracking sogar erkannte, ob wir den Daumen spreizen oder einen Finger anlegen. Eine Spielerei für Hardcore-VR-Fans, die dafür 1000 US-Dollar auf den Tisch legen sollten – so um die 100.000 Einheiten hat man davon rund um den Launch von Half-Life: Alyx verkauft. Die Investition könnte sich aber jetzt auszahlen, denn das Steam Deck stellt Valve vor eine gigantische Aufgabe: Spiele, die für Maus und Tastatur entwickelt wurden, müssen jetzt mit einer Kombination aus Trackpad und zwei Analogsticks mit kapazitiven Berührungssensoren sowie jeweils zwei Grifftasten links und rechts plus Trigger Spaß machen. Sicher, viele Steam-Spiele bieten vollen Controller-Support, hier wird es dann einfacher.
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Aber zahlreiche Strategie- und Rollenspiele machen eben genau das nicht. Hier muss die Maus ersetzt werden durch zwei Trackpads. Wer mal versucht hat mit einem Notebook-Trackpad Age of Empires zu spielen, der weiß – es geht, aber schön ist anders. Fraglich ist auch, wie intuitiv sich das Ganze anfühlt, wenn wir mit dem rechten Daumen abwechselnd Trackpad und Analogsticks bedienen müssen. Die Fortnite-Kids damit abzuholen, die ohnehin auch auf Smartphones Multiplayer-Shooter spielt, dürfte leichtfallen. Die eher alteingesessene Fraktion der Hardcore-PC-Spieler hingegen zufrieden zu stellen, ganz schön schwerfallen. Das mit dem Trackpad hat Valve ja schon bei seinem Steam Controller versucht, bei dem es ganz schön gedauert hat, um damit wirklich genussvoll Strategietitel spielen zu können. Das ist der eigentliche Grund, warum man Gyroskop-Sensoren verbaut: Damit können wir in Doom etwa mit dem rechten Daumen auf das Trackpad drücken und dann das ganze Steam Deck herumreißen, um viel schneller zu zielen. Erster Eindruck: Valve hat das Potential den gleichen Erfolg zu feiern wie die Switch Wir würden das Steam Deck nicht als Konkurrenz zur Switch sehen. Nintendo-Produkte kauft man in erster Linie, um Nintendo-Spiele zu genießen. Vielmehr hat sich Gabe Newells Team wohl gedacht: Hmm, die Switch verkauft sich wie geschnitten Brot und das mit der billigen Hardware, sprich Nintendo verdient satt pro verkaufter Konsole. Es ist aber ein geschlossenes Ökosystem, die meisten Triple-A-Spiele schaffen es nie auf die Switch. Was wenn wir einen Handheld entwerfen mit offenem Ökosystem und 50.000 Spielen auf Steam? So kann Valve eine neue Zielgruppe erreichen, mehr Steam-Spiele verkaufen und baut sich eine USP, die der schärfste Konkurrent Epic Games nicht hat. Würde uns ja nicht wundern, wenn Epic jetzt sein eigenes Deck entwickelt – natürlich mit viel mehr Hardware-Power. Es sind spannende Zeiten für PC-Gamer. Props an Valve und Ebay: Alle Scalper-Angebote wurden bisher gelöscht. Laut Gabe Newell will man alles tun, was möglich ist, um interessierte Gamer zu beliefern – nicht eklige Scalper. Weitere lesenswerte Geschichten: Ryan Reynolds über seine Rolle als GTA-6-NPC Valve Index 2020: Das 1000 Euro Luxus-VR-Headset im Test Half-Life Alyx im Test: Es fühlt sich an wie Half-Life 3