Indische Söldner kämpfen für Russland an der Front – doch nicht alle sind freiwillig dort

Die russische Armee rekrutiert seit Monaten Ausländer für ihren Krieg in der Ukraine, unter anderem auch Inder. Nun schreitet die indische Regierung ein. Das bringt Moskau in eine diplomatische Zwickmühle.

Andreas Babst, Delhi 4 min
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Hemil Mangukiya (Mitte) posiert mit zwei anderen Soldaten. Ende Februar wurde der 23-jährige Inder aus Gujarat in der Ukraine getötet.

Hemil Mangukiya (Mitte) posiert mit zwei anderen Soldaten. Ende Februar wurde der 23-jährige Inder aus Gujarat in der Ukraine getötet.

Hemil Mangukiya Family / Handout

Ende der vergangenen Woche machte das indische Aussenministerium noch einmal unmissverständlich klar: «Wir machen sehr viel Druck auf die russischen Behörden, damit unsere dort gestrandeten Staatsangehörigen vorzeitig entlassen werden», sagte ein Sprecher an einer Pressekonferenz. Er bezog sich damit auf die indischen Söldner, welche derzeit für die russische Armee in der Ukraine kämpfen.

Die russische Armee rekrutiert für den Krieg in der Ukraine längst nicht nur eigene Staatsangehörige. In den vergangenen Monaten häuften sich die Meldungen von Ausländern, die an der Front in der Ostukraine kämpfen – und sterben. Die grösste Gruppe dürften Nepalesen sein: Mehrere tausend flogen in den vergangenen Monaten mit Touristenvisa nach Moskau und schlossen sich dort der russischen Armee an.

Angelockt wurden sie vom Versprechen auf einen regelmässigen, für nepalesische Verhältnisse hohen Lohn. Etwa 1300 Franken plus Prämien zahlt ihnen die russische Armee. Präsident Wladimir Putin versprach Anfang Jahr zudem, dass Ausländer, die ein Jahr in der russischen Armee dienen, die russische Staatsbürgerschaft erhalten.

Nach einem rudimentären zweiwöchigen militärischen Training werden die Söldner als Kanonenfutter an die Front geschickt. «Die Russen behandeln uns wie Hunde», sagte einer der dort kämpfenden Nepalesen kürzlich gegenüber der NZZ. Verwundete würden liegengelassen, den Söldnern werde nichts erklärt – kaum einer von ihnen spricht Russisch.

Schon länger ist bekannt, dass nicht nur Nepalesen für Russland kämpfen. Ivoirer, Nigerianer, Äthiopier sitzen in den Schützengräben in der Ukraine. Und eben auch Inder.

Zwei indische Todesfälle

Die indischen Medien griffen das Thema in den vergangenen Wochen vermehrt auf. Ein Auslöser war der erste bestätigte Todesfall: Hemil Ashwinbhai Mangukiya, ein 23-jähriger Inder aus dem Teilstaat Gujarat, kam Ende Februar in der Ukraine ums Leben. Er führte daheim mit seinen Cousins eine kleine Stickerei und wollte in Russland Geld für seine Hochzeit verdienen. Seiner Familie sagte er, er arbeite als «Helfer» in der russischen Armee, hinter den Frontlinien. Offenbar musste aber auch er an die Front, wo er bei einem Raketeneinschlag getötet wurde.

Der Fall zwang die indischen Behörden, einzuschreiten. Auch weil ein zweiter indischer Toter offiziell bestätigt wurde. Laut dem Aussenministerium in Delhi haben inzwischen rund zwanzig Inder bei der indischen Botschaft in Moskau um Hilfe gebeten. Wahrscheinlich gibt es aber noch weitere indische Söldner in der russischen Armee. Die indischen Behörden wollen nun die vorzeitige Entlassung der Inder erwirken und sie zurück nach Delhi bringen.

Angehörige sagten gegenüber lokalen Medien, die jungen Männer seien unter falschen Vorgaben in die Armee gelockt worden. Ihnen seien Jobs in Büros oder als Köche versprochen worden, keiner von ihnen habe an der Front kämpfen wollen. Offenbar verfügen die rekrutierten Inder über keinerlei militärische Erfahrung. Das deckt sich mit den Erzählungen anderer ausländischer Söldner: Sie sagen, dass die russische Armee derzeit jeden aufnehme, der sich freiwillig melde.

Die Leichen der beiden getöteten indischen Söldner kamen am vergangenen Wochenende in Indien an. Die Überführung der Toten dürfte eine Geste des guten Willens Russlands sein: Die sterblichen Überreste der neunzehn Nepalesen, die nach offiziellen Angaben in der Ukraine gefallen sind, sind noch immer in Russland. Die Familien zündeten für die Bestattungen in der Heimat teilweise leere Scheiterhaufen an.

Diplomatische Zwickmühle

Die indischen Söldner in der russischen Armee bringen Russlands Diplomatie in eine unangenehme Situation. Anders als Nepal ist Indien ein wichtiger Partner Russlands. Zwar hat auch Indiens Premierminister Narendra Modi den Angriff auf die Ukraine kritisiert. Aber Indien enthielt sich bei mehreren Uno-Resolutionen, die den russischen Angriffskrieg verurteilen. Indien und Russland sind historisch eng verbunden, während des Kalten Krieges war Indien einer der blockfreien Staaten, die stets gute Beziehungen mit Moskau unterhielten.

Indien ist ausserdem ein dankbarer Abnehmer russischen Rohöls. Seit Putins Angriff auf die Ukraine und den vom Westen erlassenen Sanktionen kommt das russische Öl mit einem Rabatt. Und Indien greift zu: Seit Kriegsbeginn haben sich die indischen Ölimporte aus Russland verdreizehnfacht. 2023 machte russisches Rohöl rund ein Drittel der gesamten Ölimporte Indiens aus.

Die beiden Länder sind auch militärisch eng verbunden. Russland und Indien führen regelmässig gemeinsame Militärmanöver durch – sehr zum Unmut der USA. Jahrelang importierte Indien zudem Rüstungsgüter vor allem aus Russland. Laut Schätzungen ist das indische Waffenarsenal zu 60 Prozent russischer Bauart. Zwar versucht Delhi gerade, diese Abhängigkeit zu verringern – allen voran die USA haben jüngst verschiedene Rüstungsabkommen mit Indien geschlossen. Es dürfte aber noch Jahre dauern, bis das russische Arsenal ersetzt ist.

Laut dem indischen Aussenministerium sind mehrere Inder bereits aus der russischen Armee entlassen worden. Noch immer gibt es aber Videos in den sozialen Netzwerken, in denen indische Söldner darum bitten, aus dem Militär geholt zu werden. Auch nepalesische Söldner bitten die indische Regierung mittlerweile in Videos um Hilfe. Offensichtlich sind die Verbindungen zwischen Moskau und Delhi besser als jene zwischen Moskau und Kathmandu.